Geschichte und Wirken der revolutionären Bewegung auf den Philippinen

Die kommunistische Partei der Philippinen (CPP) gilt als eine der Ältesten und zugleich Modernsten weltweit. Ihre Wurzeln in den antikolonialen Aufständen des späten 19. Jahrhunderts wissend, bildet sie heute die stabile Basis aller emanzipatorischer Kämpfe des Landes und greift in ihrer Praxis auf eine breite Palatte an Kampfformen zurück. Die Grenzen zwischen den Interessen von Stadt- und Landbevölkerung überwindend, schafft sie dabei relativ neue Themen, wie die Erkämpfung und Verteidigung von Rechten von Queers* oder dem Kampf gegen den Klimawandel, mit „älteren“ Themen, wie urbanen Arbeitskämpfen oder einer sozialistischen Landreform, zu verbinden und so fortschrittliche Kräfte – mit dem Ziel der „People’s Democratic Revolution“ – zu bündeln. Die Geschichte ihres Befreiungskampfes reicht dabei mehr als 100 Jahre zurück.

333 Jahre

Nach 333 Jahren der Knechtung unter dem Joch des spanischen Kolonialismus formierte sich – beflügelt durch die französische Revolution – eine Gruppe junger Intellektueller, mit dem Ziel ihr Volk von der Tyrannei fremder Herren zu befreien und Frieden über das verwüstete Land zu bringen. Die Katipunan schafften es – zuerst im Geheimen – den unter desaströsen Verhältnissen lebenden breiten Massen auf Augenhöhe zu begegnen und von der Machbarkeit ihrer Ideen zu überzeugen. Als die Besatzer das Treiben der Freiheitskämpfenden entdeckten, war es für diese jedoch schon zu spät.

Die Sterne standen gut, als die Katipunan, nur wenige Tage nach ihrer Entdeckung, den Griff zur Waffe mit dem Ziel der nationalen Befreiung ausriefen und damit – am 26. August 1896 – die philippinische Revolution einleiteten. Die Katipunan führten die Massen in einen bewaffneten Widerstand und entrissen den durch den Napoleonkrieg und die Befreiungskämpfe Lateinamerikas geschwächten Ausbeutern Stadt und Land in Windeseile und brachten Freiheit und Hoffnung, wo zuvor nur Elend und Hunger herrschte.

Die verratene Revolution

Doch in ihrer Sorge vor noch mehr gefallene Schwestern und Brüder und dem Wissen um ihre beschränkten Ressourcen wurden die Kämpfer:innen blind für eine neue, aufkommende Gefahr. Die “United States of America” präsentierten sich freiheitsliebend und wohlwollend und unterstützten die independence fighters gar in einigen Schlachten. Doch hinterrücks trafen sie Absprachen mit der spanischen Krone.

Die USA betrogen die Katipunan und verhinderten die Befreiung der Hauptstadt Manila durch das philippinische Volk, um die Macht über das wirtschaftliche Zentrum der Inselgruppe an sich zu reißen. Eine – erstmals am 12. Juni 1898 erklärte – Unabhängigkeit der Philippinen interessierte Washington sonderlich wenig. Zu groß war die wirtschaftliche und strategische Bedeutung des Archipels und zu ungebändigt die Gier des nach Ausbeutung und Krieg lechzenden US-Kapitals.

Mit dem “Vertrag von Paris” verrieten die USA die das philippinische Volk endgültig. Sie kauften Land und Mensch von den Spaniern, vertrieben die Revolutionäre aus den Städten, zerschlugen die selbstverwalteten Strukturen der Bevölkerung und errichteten eine Militärdiktatur. Die Revolution scheiterte und 200.000 Filipin@s starben im sogenannten Philippinisch-Amerikanischen Krieg: an Hunger, an Cholera oder in Lagern zu Tode gefoltert.

Doch die Kosten der Besatzung waren hoch. Denn die Unterdrückung der Freiheitsliebenden kostet Geld und auch ein Menschenschlächter will bezahlt werden. Auch zeigen Versklavte kein vergleichbar großes Interesse an Leistungssteigerung wie ihre Schinder. Parallel dazu machte sich noch an der Heimatfront der Gringos allmählich eine antiimperialistische Stimmung breit, und neue Zugangswege zum asiatischen Markt hatten sich auch allmählich etabliert. “Also warum selber strafen und sich die Hände schmutzig machen?”, dachten sich die feinen Herren in Washington und sie begannen ihre Herrschaft neu zu strukturieren, wobei sie die, aus der spanischen Kolonialzeit stammenden semi-feudalen Gesellschaftsstrukturen weiter ausbauten um ihr Ausbeutung zu intensivieren und gleichwohl zu verschleiern.

Neben einem privaten Schulsystem für die reiche Oberschicht, bauten die Yankees eine auf die Produktion spezifischer Exportgüter ausgelegte Industrie auf; wobei eine umfassende wirtschaftliche Diversifizierung sowie eine tiefgreifende industrielle Entwicklung – deren Basis aufgrund der geografischen Lage und der Reichhaltigkeit an Bodenschätzen durchaus gegeben wäre – zugunsten einer hochgradig abhängigen Wirtschaft gezielt ausgelassen wurde. Was mit einem fett grinsenden G.I. mit Zigarre und Coca Cola begann, endete in einem Vasallenstaat, dessen größtes Ziel die Ausbeutung der eigenen Bevölkerung darstellte – als Büttel eines fremden Kontinents.

Der kommunistische Widerstand

Doch mit den Fabriken kamen auch neue Lebensumstände; und mit neuen Lebensumständen kommen bekanntlich neue Blickwinkel. So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Ideen des Marxismus verbreiteten und recht bald – im November 1930 um genau zu sein – die Partido Kommunista ng Pilipinas (PKP-1930) gründete, deren Schwerpunkt v.a. in der Unterstützung und Organisierung urbaner Arbeitskämpfe lag. Trotz der damals in der Partei dominierenden Analyse, die Revolution müsse in städtischen Zentren aufkeimen und sich von diesen ausgehend über das Land ausbreiten, fand die PKP viel Sympathie und Unterstützung in ländlichen Regionen. Letztlich wurde sie jedoch bereits ein Jahr später – nachdem sie den staatlichen Verboten zum Trotz eine revolutionäre 1. Mai-Demo anführte – illegalisiert und zahlreiche Parteimitglieder inhaftiert, worauf sich ihre Einflussnahme deutlich verminderte. Von diesem Repressionsschlag konnte sie sich auch 1937 nach der taktischen Wiederzulassung im Zuge der globalen “Einheitsfront gegen den Faschismus” nicht wieder erholen.

Entgegen aller Ankündigungen des US-Kapitals auf verbesserte Lebensstandards blieben die Lebensbedingungen für die meisten Menschen weiterhin miserabel. Da aber nicht nur die amerikanische Sprache, sondern auch der “american dream” – mit der Hoffnung auf billige Arbeitskräfte – exportiert worden war, suchten zu dieser Zeit abertausende Arbeitsmigrant*innen, die der Perspektivlosigkeit entrinnen wollten, in den kapitalistischen Zentren Nordamerikas ihr Glück, wo sie letztlich jedoch unterbezahlt Feld- oder Care-Arbeit verrichten, tagtäglich rassistischer Schikane ausgesetzt waren und in Ghettos eingepferchen wurden. Andere erhofften ihr Geschick zur See – auf das viele Filipin@s traditionell zurückgreifen können – zu nutzen, um sich und ihren Familien ein besseres Leben zu ermöglichen und heuerten daher bei internationalen Frachtunternehmen an, wo sie bei Niedrigstlöhnen unter lebensgefährlichen Bedingungen leben und schufften mussten.

Groß waren zu dieser Zeit die Versprechungen der Yankees, das philippinische Volk mit der Aussicht auf eine baldige Unabhängigkeit zu befrieden; doch gering war ihr Interesse als der japanische Faschismus über das Land herfiel und auf bestialischste Weise mordete und brandschatzte: Todesmärsche, Massenerschießungen, Verbrennung lebendiger Menschen, öffentliche Köpfungen Gefesselter mit Samurai-Schwertern, Versklavung und Verschleppung zur Zwangsprostitution in Kriegsbordelle. Nicht einmal jede dritte Frau kehrte aus diesen zurück.

Unter der japanischen Terrorherrschaft formierte sich bald Widerstand. Die Überreste der PKP sammelten sich in kürzester Zeit und gründeten die Hukbong Bayan Laban sa Hapon (Antijapanische Volksarmee), kurz Hukbalahap. Doch ihr Ziel war nicht nur die Befreiung der Philippinen vom Faschismus; als kommunistische Volksarmee plante sie im Zuge der Befreiung des Landes die Umsetzung einer Landreform, die eine Umverteilung der Ländereien zum Ziel hatte, die unter den Amis in wachsender Zahl aus dem Besitz von Familien in die von Großgrundbesitzern überführt worden waren.

Durch ihren Kampfgeist, ihre Disziplin und nicht zuletzt durch ihre Empathie gelang es ihnen große Teile der Bevölkerung für sich zu gewinnen und – gleich den Kämpfen in den Fabriken – die Unterdrückten zu unterstützen, sich selbst zur Wehrhaftigkeit zu ermächtigen. Die Genoss:innen kämpften und starben für die Freiheit – so wie es ihre Mütter und Väter vor ihnen taten – und gingen als Teil der Hukbalahap, der am besten organisiertesten und effektivsten Widerstandsbewegung gegen den Faschismus in Südostasien, in die Geschichte ein.

Hindiependence – Die falsche Unabhängigkeit

Als sich das Blatt 1944 unter großer Opferbereitschaft der UdSSR schließlich gewendet hatte und der Faschismus global in den Rückzug gezwungen war, waren es alte Bekannte, die der Hukbalahap in den Rücken fielen. Eintreffende US-Truppen nahmen nicht nur die deutlich geschwächten und an Nachschub mangelnden japanischen Truppen ins Visier, sondern ermordeten auch zahlreiche kommunistische Widerstandskämpfer:innen. Kurzerhand übernahm das US-Militär also wieder das Land, klopfte sich für die Befreiung vom Faschismus selbst auf die Schulter und entlies die Philippinen in die Unabhängigkeit. Dafür forderte der US-Imperialismus nichts weiter als die vertragliche Zusicherung, die Philippinen für weitere 28 Jahre wirtschaftlich diktieren zu dürfen und zwecks Friedenssicherung im Pazifik für 99 Jahre 23 Militärstützpunkte auf philippinischem Hoheitsgebiet halten zu dürfen.

Formal waren die Philippinen zwar nun unabhängig; in der Realität jedoch war eine weitere Bananenrepublik durch das US-Regime erschaffen worden, dessen niederträchtige Eliten die Ausbeutung der eigenen Bevölkerung durch westliches Kapital organisierten, um sich und ihre Clans daran zu bereichern. Volksaufstände, die sich unter der Führung der Hukbalahap formierten, die bis 1950 große Teile des Landes unter ihrer Kontrolle hatte, wurden durch das philippinische Militär unter der Leitung eines CIA-Schweins und späteren Vietnam-Kriegsverbrechers unter der Inkaufnahme von “zivilen Kollateralschäden” brutal niedergeschlagen.

In den folgenden Jahren sahen die Filipin@s viele pro-amerikanische Marionetten-Präsidenten, die vor allem für ihre Kriegstreiberei und Korruption bekannt wurden. Obwohl die Hukbalahap unter wachsendem militärischen Druck nach und nach an Einfluss verlor, nährten die offensichtlichen Ungerechtigkeiten, die die Menschen erfuhren, soziale Bewegungen, die sich gegen den aufkommenden Neoliberalismus formierten.

Die Diktatur des Marcos-Clans

Doch all die Ausbeutung und Korruption die das Land erlebt hatte, war nichts im Vergleich zu dem, was das Land ertragen mussten, als im Jahre 1965 Ferdinand Marcos – Populist und Menschen-Schlächter – Präsident der Philippinen wurde. Obgleich die Menschen durch andere Marionetten-Präsidenten bereits in hohem Maße an Korruption gewöhnt waren, wurde Marcos luxuriöser Lebensstil, der auf Kartellbildung und Veruntreuung öffentlicher Gelder aufbaute, als über alle Maße ausufernd empfunden.

Er schuff um sich und seine Clique von Aasgeiern wirtschaftliche Monopole, die mit horrenden Auslandskrediten finanziert wurden, welche das Land für viele Jahre wirtschaftlich destabilisieren sollten. Profiteur war hierbei, als wäre es geplant gewesen, das US-Kapital. Marcos trieb die Enteignung von Kleinbauern voran, um die Ländereien auf verbündete Großgrundbesitzern zu konzentrieren. Neben den Einnahmen zielten diese Verbrechen gegen die Landbevölkerung auf eine Umstrukturierung der ländlichen Regionen und zur Etablierung engerer Kontrollstrukturen über die auf den Philippinen vorherrschende Klasse der Bauern- und Bäuer:innenschaft. Denn sie waren es, die vielerorts im Angesicht der gemachten Armut zu revolutionärer Ansichten gekommen waren und immernoch die Basis der Kommunist*innen bildeten. Marcos schürte zudem Zwist zwischen Christen und Muslimen, und lies ein Massaker an der muslimischen Rekruten verüben.

Doch mit der wachsenden Unzufriedenheit wuchs der Wille des Volkes aufzubegehren und Proteste mehrten sich. Marcos jedoch – kaltblütig – hatte bereits Vorkehrung getroffen. Früh hatte er damit begonnen, das Militär massiv auszubauen und ihm hörige Hunde in wichtigen Positionen zu platzieren, um damit sowie mit weiteren Dekreten die Macht über das Heer zunehmend auf seine Person zu konzentrieren. 

Auf sein Geheiß hin reisten philippinische Truppen nach Vietnam, um die Yankees beim Verüben ihrer völkerrechtswidrigen Verbrechen gegen die vietnamesische Bevölkerung zu unterstützten. Im eigenen Land lies er Demonstrationen durch das Militär erbarmungslos niederschlagen. Ende der 1960er lag das Land am Boden. Das philippinische Volk blutete und trauerte als es erneut mitansehen musste, wie es tagtäglich benutzt und ausgepresst wurde.

„The First Great Recitification“

Es begab sich zu dieser dunklen Stunde jedoch, dass die Kabataang Makabayan (“Patriotische Jugend”), das letzte relevante Überbleibsel der PKP von 1930, sich unter dem Banner der Erneuerung erhob und „The First Great Recitification“ einleitet. Denn die Jugend hatte ihre Lehren aus dem Scheitern der PKP von 1930 gezogen. Sie verfeinerten ihre Analysen und begannen die gewonnen Erkenntnisse in eine neue, revolutionäre Praxis zu übersetzen.

Sie erkannten, dass Marcos nur der Ausdruck der bereits 30 Jahre zuvor durch die USA etablierten semi-feudalen und semi-kolonialen Fremdherrschaft war und sein Platz im Falle einer Abwahl nur durch einen anderen Büttel des US-Imperialismus ersetzt werden würde. Aus dieser Analyse zogen sie die Konsequenz, die bewaffnete Revolution – in Bezug auf die antikolonialen Kämpfe von 1899 – gegen die fremden Herrscher wiederaufzunehmen. Die Jugend hatte sich gegen den Subjektivismus und Opportunismus, dem die alten Genossen verfallen waren gestellt und – inspiriert durch die chinesische Kulturrevolution – im Zuge der ersten großen Erneuerung 1968 die neue Communist Party of the Philippines (CPP) gegründet.

Vom Geist des Marxismus-Leninismus-Maoismus beseelt, fand sich die CPP bald im regen Austausch mit den Massen, die mit viel Zuspruch und großer Freude auf die neuen Ideen der jungen Kommunist:Innen reagierten. Die Teile der Landbevölkerung, aus denen sich all die Jahre zuvor unter Leitung der PKP-1930 die Volksarmee rekrutiert hatte, erkannten die Richtigkeit des jungen Antirevisionismus, den die erste große Erneuerung gebracht hatte, und schlossen sich den Revolutionär:innen an. Unter der Federführung der aus Fleiß, Arbeit sowie Kritik und Selbstkritik hervorgegangenen CPP gründete sich im folgenden Jahr die Bagong Hukbong Bayan, die New People’s Army (NPA), die den bewaffneten, antikolonialen Kampf gegen den US-Imperialismus und seinen Schergen Marcos wiederaufnahm um dem philippinischen Volke endlich zur lang ersehnten Freiheit zu verhelfen.

Der militante Kampf der NPA im Feld, stand und steht seit damals ergänzend zu den „legalen“ Kämpfen der Kommunist:innen zu Land und in den urbanen Zentren der Philippinen.

Es lebe die philippinische Revolution!

Bis heute kämpfen die Revolutionär:innen unerbittlich für die Befreiung und die Selbstbestimmung des philippinischen Volkes. Zahlreiche Erneuerungen und Aktualisierungen folgten auf die erste recitification und machten die kommunistische Partei der Philippinen zu einer der ältesten und zugleich modernsten revolutionären Organen der unterdrückten Menschen weltweit.

Heute – am 26. August – zum 128. Jahrestag des Beginns der philippinschen Revolution, grüßen wir unsere philippinischen Genoss*innen der CPP und NPA. Eure Ausdauer und Entschlossenheit geben uns Mut und eure theoretischen Entwicklungen sind uns Vorbild. Möge der Imperialismus unter den, in eine bessere Zukunft voranschreitenden Füßen des philippinischen Volkes zermalmt werden.


Es lebe der militante antiimperialistische Kampf des philippinischen Volkes!