Frankfurter PKK-Prozess: Abdullah Öcalan zu mehrjähriger Haftstrafe verurteilt – Neue Linie in der Kriminalisierung der kurdischen Bewegung

Der kurdische Aktivist Abdullah Öcalan wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Das Urteil ist ein weiterer Angriff auf die kurdische Befreiungsbewegung. – Ein Beitrag von Maraike Evers von „Defend Kurdistan“ FFM

Der kurdische Aktivist Abdullah Öcalan – nicht zu verwechseln mit seinem bekannteren Namensvetter, dem Gründer der Arbeiterpartei Kurdistans – wurde nach mehr als einem Jahr Verhandlungsdauer vom OLG Frankfurt nach §129b wegen Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ zu einer Haftstrafe von 4 Jahren und 5 Monaten verurteilt.

Dem 59-Jährigen wird vorgeworfen, unter dem Namen „Xebat“ von 2019 bis zu seiner Festnahme im Mai 2021 als PKK-„Kader“ verschiedene Gebiete geleitet zu haben. Seine Arbeit bestand unter anderem darin, Demonstrationen zu organisieren und Spenden zu sammeln. Eine individuelle Straftat wurde ihm nicht zur Last gelegt. Begleitet wurde der Prozess von „Defend Kurdistan“. Zur Urteilsverkündung versammelten sich rund fünfzig solidarische Personen vor und im Gerichtsgebäude.

Verstärkte Kriminalisierung der kurdischen Bewegung in Deutschland

Das hohe Urteil gegen Abdullah Öcalan reiht sich ein in die verschärfte Kriminalisierung der kurdischen Bewegung in Deutschland. Einen Tag zuvor wurde der kurdische Aktivist Özgür A. durch das OLG Koblenz zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Bei bisherigen PKK-Prozessen wurden dagegen Strafen zwischen einem Jahr und sechs Monaten und drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Hinzu kamen zahlreiche Durchsuchungen von Wohnungen und kurdischen Vereinen, unter anderem in Darmstadt, Nürnberg und Hannover, wie auch Beschlagnahmungen und Festnahmen.

Der kurdische Rechtshilfefond AZADÎ spricht deswegen von der erhöhten Bereitschaft der bundesdeutschen Justiz, Forderungen aus Ankara umzusetzen. Dabei bezieht sich AZADÎ auch auf den Besuch des Generalbundesanwalts Dr. Peter Frank Anfang Juli 2022 in der Türkei, bei dem er von Präsident Erdoğan empfangen worden war. In den Gesprächen ging es zweifellos um Forderungen von türkischer Seite, strafrechtlich noch umfangreicher gegen Anhänger:innen der PKK in Deutschland vorzugehen und deren Auslieferung zu forcieren. Direkt danach ging es mit den Durchsuchungen los. Auch werden immer häufiger politisch aktive Kurden in die Türkei abgeschoben, wie zuletzt der 19-jährige Kurde Mustafa Kal.

§129b – Der Paragraf der Exekutive

Die Verteidigung von Abdullah Öcalan – Rechtsanwältin Antonia von der Behrens und Rechtsanwalt Stephan Kuhn – hatten beantragt, den Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank als Zeuge vor Gericht zu laden. Dem Ersuchen wurde aber – wie fast allen weiteren der Verteidiger:innen – nicht stattgegeben. So blieben auch die Anträge zu den völkerrechtlichen Aspekten des Freiheitskampfes der PKK, den Völkerrechtsverstoßen des türkischen AKP/MHP-Regimes oder zur Frage der Willkürlichkeit der Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium weitestgehend unberücksichtigt.

Paragraf 129b sieht vor, dass Verfahren nur geführt werden können, wenn das Bundesministerium der Justiz eine sogenannte „Verfolgungsermächtigung“ erteilt hat. Weil das Ministerium sich dabei maßgeblich nach den außenpolitischen Interessen Deutschlands richtet, ist das eine politische Entscheidung. Das heißt, dieses Verfahren gäbe es überhaupt nicht, wenn es nicht im außenpolitischen Interesse Deutschlands läge. Zudem ist die Grundlage aller PKK-Prozesse die Listung der PKK als Terrororganisation – auch das war eine politische Entscheidung.

Für Frankfurt hatte der Prozess eine große Bedeutung, da es das erste Verfahren nach §129b am OLG Frankfurt war. Das Urteil war damit wegweisend dafür, wie das OLG Frankfurt den gesamten kurdischen Konflikt einschätzt und wie es vor allem auch die Frage des angeblich terroristischen Charakters der PKK bewertet. Darauf hat es nun eine klare Antwort gegeben. Derzeit läuft am OLG Frankfurt ein weiterer 129b- Prozess gegen Ali Ö. Auch hier ist zu erwarten, dass die neue harte Linie der Bundesjustiz gegen die kurdische Bewegung durchgesetzt wird.

So wird klar: Auch wenn das Gericht unter dem von der Generalstaatsanwaltschaft geforderten Strafmaß von über fünf Jahren geblieben ist – geht es in diesem Verfahren nicht um Recht und Gerechtigkeit. Vielmehr ist der Prozess ein Angriff auf die politische Gesinnung von Abdullah Öcalan und die kurdische Freiheitsbewegung, hinter der nicht weniger als ein ganzes Volk steht.