Die Tarifbewegung 2022 steht am Scheideweg. In Ludwigsburg könnte heute ein Pilotabschluss für den Südwesten entstehen, der richtungsweisend für alle anderen Abschlüsse in Deutschland ist. Auf dem Tisch liegt von der Arbeitgeberseite bisher nur eine steuerfreie 3000 Euro Zahlung für die nächsten 30 Monate.
Das Signal der letzten Wochen war dagegen klar – Über 770.000 Arbeiter:innen der Metall- und Elektroindustrie im Warnstreik fordern eine 8% tabellenwirksame Lohnerhöhung.
So beteiligten auch wir uns heute an einer Demonstration der IG Metall vor dem Gebäude des Arbeitnehmerverbands im Frankfurter Mertonviertel. Viele Arbeiter:innen reisten mit Bussen oder per Autokorso an.
Viele Gewerkschafter:innen und einige IGM Hauptamtliche hoffen, dass es am Donnerstag Abend nicht zu einem mageren Abschluss kommt und der ganze Wind aus den Segeln genommen wird. Von der Bühne hingegen kommen doch immer wieder beschwichtigende Worte: Keiner habe ein Interesse daran, dass es zu einem unbefristeten Streik komme, die Arbeitgeberseite müsse sich doch nur ein wenig bewegen. Etwas kleinlauter wird sogar erkannt, dass die geforderten 8% eigentlich nicht mal wirklich einen Inflationsausgleich darstellen und sich dadurch an den realen finanziellen Möglichkeiten überhaupt nichts ändert.
Die Streikkasse der IG Metall ist mit über einer Milliarde Euro gut gefüllt, die Taschen ihrer Mitglieder werden hingegen immer leerer durch die Inflation und die ausbleibenden Lohnerhöhungen. All das verdeutlicht, dass es höchste Zeit ist, sowohl von unten Druck auf die eigene Führung auszuüben als auch die notwendigen Forderungen breit miteinander zu diskutieren und gesellschaftlich umzusetzen. Gute Abschlüsse in den großen Tarifverhandlungen sind dabei auch der Rückenwind in anderen Lohnkämpfen – ob mit Tarif oder ohne!
Dabei strotzen viele Kolleg:innen nur so vor neuem Selbstvertrauen wie bspw. die Arbeiter:innen der Firma Samson, die nach Jahren nun wieder einen aussagekräftigen Warnstreik auf die Beine gestellt haben und mit zwei vollen Bussen zur Kundgebung anreisten. Diese Entwicklung sei vor vier bis fünf Jahren laut kämpferischen Kolleg:innen noch unvorstellbar. Auch die IG Metall Jugend fährt auf – schon seit Wochen werden Demos durchgeführt, Pyrotechnik gezündet, Arbeitgebersitze vollgesprüht und geklebt.
Die Ergebnisse der Auseinandersetzung sind entscheidend – denn folgen muss entweder ein enorm guter Abschluss oder eine Streikwelle, die den Forderungen und dem Selbstbewusstsein der Arbeiter:innen gerecht wird.
Es darf sich nicht wie die IG BCE mit zwei Einmal-Zahlungen und einer Mini-Erhöhung für 20 Monate zufrieden geben – vor allem in den aktuellen Zeiten.