Seit mittlerweile mehr als drei Wochen befinden sich auf dem Rastplatz Gräfenhausen auf der A5 zwischen Darmstadt und Frankfurt etwa 72 LKW-Fahrer im Streik.
Die georgischen, ukrainischen und usbekischen Arbeiter des polnischen Speditionskonglomerats Agmaz, Lukmaz und Impera beliefern viele Kund:innen in Zentraleuropa.
Zusätzlich zu dem ständigen Druck von ihrer Spedition,die sie dazu drängt, ihre Lenk- und Ruhezeiten nicht einzuhalten, haben sie seit 3 Monaten keine Lohnzahlungen erhalten.
Auf dem Rücken der Fahrer, die unter diesem unzumutbaren Bedingungen Arbeiten müssen und damit nicht einmal sich selbst und ihre tausende Kilometer entfernten Familien versorgen können, erwirtschaftet das Speditionsunternehmen seine Profite.
Aus diesen Verhältnissen ziehen letztendlich auch deutsche Unternehmen Nutzen, die schnell und günstig ihre Lieferketten sicherstellen.
Gegen diese Zustände regt sich jetzt bei den Kraftfahrern Widerstand, der zu einem wilden Streik geführt hat.
Die polnische Firma ist bereits bekannt für ihre Praxis der Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen. Viele der Kolleg:innen sind keine Berufskraftfahrer:innen und haben ihre Fahrberechtigung für LKW beim Militär gemacht. Sie haben keine richtigen Arbeitsverträge, sondern werden in Scheinselbständigkeit gedrängt, bei der die LKW geleased sind und anfallende Reparaturen und Gebühren selbst bezahlt werden müssen. Nach diesen ganzen Abzügen bleibt nicht viel Geld übrig, vorallem in Zeiten von Reallohnverlust durch Inflation.
Die Kollegen sprechen von mafiösen strukturen, was sich auch stark darin offenbart, dass der Inhaber Lukasz Mazur mit der polnischen Verkehrsministerin Agniezka Mazur verheiratet ist und so Gesetze und Verodnungen umgehen kann.
Im aktuellen Streit um die Lohnzahlung wurde zunächst versucht Ersatzfahrer als Streikbrecher einzusetzen. Diese solidarisierten sich jedoch mit den Streikenden und schlossen sich dem Protest an. In der Folge kam es am vergangenen Freitag zu körperlichen Auseinandersetzungen, als der Chef des Unternehmens einen paramilitärischen Schlägertrupp engagierte, um die Arbeiter mit Gewalt zum Weiterfahren zu bewegen und ihren Streik und Widerstand zu brechen.
Für ihn ist diese Aktion jedoch nach hinten losgegangen. Durch die öffentliche Aufmerksamkeit und den Druck der Gewerkschaften erlitt das Unternehmen einen massiven Imageschaden, weshalb niederländische Firmen die Zusammenarbeit bereits gecancelt haben. Mittlerweile hat sich das Unternehmen umbenannt, weshalb nun ca. 2000 LKW umlackiert werden müssen.
Die Gewerkschaften organisieren Unterstützung und sind ständig vor Ort. Auch aus der Bevölkerung vor Ort gibt es große Solidarität und Menschen bringen Getränke und Lebensmittel vorbei. Auf dem Rastplatz herrscht eine gute, positive Stimmung und die Versorgung wird bereits kollektiv in den LKWs organisiert. Die Kollegen hören Musik, vernetzen sich, verbringen Zeit miteinander und verleihen ihren Forderungen kämpferisch Nachdruck.
Einen Teilerfolg hat es gegeben. Einige der Arbeiter haben ihren Ausstehenden Lohn erhalten; doch für die Kollegen ist klar das kein LKW weiter fährt ehe nicht alle ihren Lohn erhalten haben!
Am Sonntag fand das „Fest der Solidarität“ auf dem Rastplatz statt; organisiert von den DBG-Gewerkschaften wurde gegrillt, sich vernetzt und getanzt. Mit Freude wurde die Solidaritätskundgebung von ebenfalls aktuell streikenden Kraftfahrern aus Südkorea zur Kenntnis genommen und ein eigenes Solidaritätsvideo aufgenommen.
Diese lokale, wie auch internationale Solidarität der Arbeiter:innen muss forciert und ausgebaut werden, um die Arbeitsverhältnisse der Kraftfahrer in Gräfenhausen zu verbessern und langfristig dieses kapitalistische System der Ausbeutung von Arbeitskraft zu überwinden.