Als zweitgrößte revolutionäre Erste Mai Demo zogen am Abend in Frankfurt etwa 3000 Menschen vom Willy-Brandt-Platz bis nach Bornheim Mitte. Im vergangenen Jahr wurde nach Jahrzehnten in Frankfurt die Tradition einer revolutionären Demo zum internationalen Arbeiter:innenkampftag wieder aufgegriffen – die Demo wurde jedoch von den Bullen blutig niedergeschlagen. Dieses Jahr mobilisierten abermals revolutionäre Gruppen und Organisationen im Rhein-Main-Gebiet erfreulich viele Demoteilnehmer:innen, die kämpferisch und ausdrucksstark durch die Straßen zogen. Die Demonstration begann um 18 Uhr mit einer Kundgebung, auf der Redebeiträge zu Ausbeutung und Rassismus, Auswirkungen der Pandemie, Kriege, Militarisierung und Aufrüstung sowie über schlechte Löhne und die Folgen der Inflation gehalten wurden. Die Demo legte einen energischen Start hin und hob die Stimmung der Demonstrierenden bereits zu Beginn der Veranstaltung durch selbstgeschriebene Liedtexte, die unter anderem Aussagen wie „Scheiß auf die Polizei und Peter ist ein Schwein“ oder „Der Kampf wird weitergehn'“ enthielten und wurden lautstark von einer Trommel begleitet. Die Gesänge sind Teil einer neuen Ausdrucksform, die bislang in Deutschland eher unbeachtet blieb, ihre Wirkmächtigkeit jedoch am Abend des Ersten Mai beweisen konnte.
Die beeindruckende Atmospähre der Demonstration wurde zudem durch viele bunte Rauchtöpfe und Pyrotechnik untermalt, ohne dass jemand verletzt oder gefährdert wurde – die Zurückhaltung der Polizei kann nicht als Zugeständnis gelesen werden, sondern als angemessene Reaktion auf die Situation. Im vergangenen Jahr folgte auf die brutalen Gewaltexzesse der Bullen gegen die Demonstrierenden eine überwiegend negative Berichterstattung bezüglich des Verhaltens der Polizei – dies sollte vermutlich dieses Jahr vermieden werden, um keine politischen Konsequenzen zu provozieren. Der Pressesprecher des Ersten Mai Bündnisses Miran Müller sagt: „Für uns ist immer am Wichtigsten, dass unsere Inhalte das Bild und den Tag bestimmen und nicht niedergeknüppelte Demonstrant:innen. Unserer Aufforderung zur Zurückhaltung ist die Polizei offensichtlich nachgekommen.“Die Demonstration setzte auch inhaltlich einen klaren Fokus auf den klassenkämpferischen Standpunkt und präsentierte unter einem roten Fahnenmeer Transparente, die Botschaften enthielten wie „Wir können uns diese Welt nicht mehr leisten, also bringen wir sie ins Wanken“ oder „Patriachat zerschlagen – proletarischen Feminismus erkämpfen“. Die revolutionäre Erste Mai Demonstration in Frankfurt knüpft damit erfolgreich an das letzte Jahr an und hat deutlich gemacht, dass eine klassenkämpferische und revolutionäre Perspektive auf die bestehenden Verhältnisse absolut notwendig ist.
Für uns als Revolutionär:innen besitzt der historisch gewachsene 1. Mai einen besonderen Stellenwert. An ihm zeigen wir unsere Stärke als kämpfende Klasse. Dabei geht es aber nicht um reine Symbolik, sondern auch um den Beweis und die Anschlussfähigkeit unserer Inhalte und Positionen. Im Prozess rund um den Kampftag der Arbeiter:innen stärken wir unsere Bündnisse mit anderen Gruppen und Organisationen, kommen ins Gespräch mit neuen Menschen und bieten die Möglichkeit zur Organisierung. Wir konnten auch in Frankfurt dazu beitragen, eine konsequente Anti-Kriegs-Position sichtbarer zu machen und eine kommunistische Perspektive auf Krise und Inflation laut zu äußern.
Die Abenddemonstration ist für uns eine notwendige Ergänzung zu der des DGB. Zwar sind die Gewerkschaften seit jeher tragender Teil der Arbeiter:innenbewegung und im Kern wichtig für den Widerstand gegen das Abwälzen der Krise auf dem Rücken der Arbeiter:innen. Doch ein jahrzehntelange Weg der „Sozialpartnerschaft“ hat eine Lücke hinterlassen. Als kämpfender Arm der organisierten Arbeiter:innenschaft machen die Gewerkschaften ihren Job nicht ordentlich. Gerade die aktuellen Angriffe auf die Lebensgrundlagen ihrer Mitglieder hätten sie aus ihrem Schlaf holen müssen. Deshalb müssen Gewerkschaften von links und aus revolutionärer Perspektive unter Druck gesetzt werden.
Doch natürlich ist der 1. Mai nur ein einziger Tag. Unser Kampf gegen die alltägliche Ausbeutung durch Lohnarbeit, unser Kampf gegen dieses rassistische und patriarchale System und die Polizeigewalt, die wir ständig erfahren, findet jeden Tag im Jahr statt. Wir stellen uns auch weiterhin konsequent gegen die gerade stattfindende Militarisierung der Gesellschaft, Aufrüstung und Kriegstreiberei.
Auch wenn gestern niemand festgenommen worden ist, ist es möglich, dass noch Repressionen folgen. Falls ihr eine Vorladung der Polizei oder einen Strafbefehl erhaltet oder davon mitkriegt, meldet euch umgehend bei dem Bündnis Erster Mai (erstermaiffm@systemli.org) und der Roten Hilfe. Jeden 2. und 4. Montag von 20-21.30h ist die offene Sprechstunde dafür im Exzess in Bockenheim.