Am ersten Septemberwochenende jeden Jahres werden in Foros de Amora im Gebiet Seixal, südlich von Lissabon, rote Fahnen gehisst, denn es ist Zeit für das Festa do Avante. In diesem Jahr hatten wir das Vergnügen, als kleine Delegation aus dem Rhein-Main-Gebiet an Europas größtem kommunistischen Volksfest teilzunehmen. Mit beeindruckenden 80.000 Besucher:innen war das Festa do Avante mehr als nur das Pressefest der Parteizeitung „Avante“ der PCP.
Im Vorfeld wurde das Fest im ganzen Land mit Plakaten beworben. Die Parteizentren der PCP in den jeweiligen Städten fungierten als Ort an dem Besucher:innen sich informieren, zur gemeinsame Anreise anmelden und Tickets kaufen. So wurden auch wir auf eine der Parteizentralen aufmerksam, als wir in den Straßen Lissabons plötzlich die Internationale hörten und erste Kontakte zu Genoss:innen knüpfen konnten.
Schon bei unserer Ankunft auf dem Festgelände beeindruckte uns der Aufwand, den Freiwillige und Jugendliche in ihren Sommerferien in den Aufbau des Festivals gesteckt hatten sofort. Die Organisation, Gestaltung und Planung zeugten von einem hohen Organisationsgrad und einer beeindruckenden Professionalität.
Die Parteigruppen der verschiedenen Städte der Partida Communista Portugesa hatten aufwendig gestaltete Bereiche mit Ständen, an denen köstliche Fischgerichte, Gegrilltes sowie lokale Spezialitäten angeboten wurden. Dazu gab es guten portugiesischen Wein. Die Preise für das Essen waren fair und zeugten von Solidarität. Wir merkten gleich: hier feiert und kommt die Arbeiter:innenklasse zusammen. So war auch die Stimmung – herzlich, familiär und sehr solidarisch!
Die Vielfalt des Essens spiegelte sich auch im kulturellen Angebot wider, auf verschiedenen Palcos (Bühnen) gab es ein breites Musikprogramm mit beeindruckenden Konzerten, sowie Kunstausstellungen, Kino und Theater. Die musikalische Vielfalt reichte von Pop, traditionellem Fado über Rock bis hin zu modernem Reggaeton und Hip-Hop.
Alle Altersgruppen wurden angesprochen. Familien mit ihren Kindern bis hin zu Jugendlichen, erwachsenen Arbeiter:innen und Rentner:innen. Beispielsweise wurden mehrere Fußballturniere im Sportbereich ausgetragen bei denen lokale Jugendmannschaften um den Avante Cup spielten. Wie es sich für ein kommunistisches Festival gehört, wurde eine kulturell bunte Mischung geboten.
Besonders beeindruckend war der große Jugendbereich, gestaltet von der kommunistischen Jugendorganisation der `Juventude Comunista Portuguesa`. Hier fanden morgens Diskussionsrunden zu Themen wie `der Rolle der Jugend in Kriegszeiten`, `Lenins Imperialismustheorie Heute` und `Fragen zur mentalen Gesundheit` statt.
Im Frauenbereich, fanden Diskussionen zu frauenspezifischen Themen statt und generell waren feministische Losungen auf dem ganzen Festival zu sehen. Die aufwendig bemalten Bereiche der einzelnen Parteigruppen waren geprägt von sozialistischen und feministischen Wandbildern und Slogans.
Eine historische Ausstellung zur Nelkenrevolution und die Rolle der Partei beim Kampf gegen Repression, die Phase der Illegalität und die Verknüpfung zu antikolonialen Befreiungsbewegungen war sichtbar auf dem Festgelände. Uns viel auf, das Portugal offensichtlich eine starke Kultur des Gedenkens an die antifaschistischen und demokratischen Errungenschaften der Nelkenrevolution von 1974 hat, was sich in Brücken-, Park- und Straßennamen widerspiegelt.
Neben den Ständen der einzelnen Parteigruppen gab es einen internationalen Bereich, in dem Schwesterparteien und -organisationen ihre Arbeit präsentierten. Von den Befreiungsbewegungen in den ehemaligen portugiesischen Kolonien wie Mosambik, Angola und Guinea-Bissau bis hin zu Unabhängigkeitsbewegungen in Katalonien und Irland gab es eine Vielfältigkeit. Vertreter:innen kommunistischer Parteien wie die der TKP (Türkei), KKE (Griechenland), PCI (Italien), KPV (Vietnam), DKP (Deutschland) und viele mehr, waren vor Ort.
Besonders beeindruckend war unser Gespräch mit Exilmitgliedern der iranischen Tudeh-Partei, die Einblicke in die aktuelle Lage der Frauenbewegung im Iran und ihre verdeckte Arbeit in der Bewegung teilten. Sowie die erfolgreiche Massenarbeit der Genoss:innen in Belgien von der PVDA/PTB die ihre Parteimitglieder seit Beginn der 2000er von knapp 2000 auf über 20.000 anheben konnten. Lediglich die Kommunistische Partei Chinas gab ein skurriles Bild ab, die an ihrem Stand keine Infomaterialen – dafür aber Produkte der Marke Huawei verkaufte.
Insgesamt herrschte gelebte internationale Solidarität, und es bot sich die Möglichkeit, mit Vertreter:innen verschiedener Parteien und Organisationen ins Gespräch zu kommen.
Auch die Gespräche mit Jugendlichen der JCP (Juventude Comunista Portuguesa) waren aufschlussreich. Über die Mitgliedschaft in der europäischen Linkspartei hatte die PCP beziehungen zur PdL, die in der Vergangeheit auf dem Fest vertreten war. Seit kurzem jedoch nicht mehr. Wir wurden oft zu Sarah Wagenknecht bzw. die Situation der Linkspartei befragt. Natürlich distanzierten wir uns von Wagenknecht, aber auch von der PdL, da wir Sozialpartnerschaft und weiteren reformistischen bis reaktionären Gedanken dieser überwiegend Linksliberalen Partei ablehnend gegenüber stehen. Von portugiesischen Jugendlichen wurden Errungenschaften, wie ein günstiges Nahverkehrsticket für die Region Alenteijo, aber auch Frust und Kritik an Sozialdemokratischen Tendenzen der PCP geäußert, dass kaum Debatte um schlagkräftige Strategien gegen den grassierenden Rechtsruck geführt werde und es der Partei zu oft um parlamentarische Ämter als um den Kampf um bspw. bezahlbaren Wohnraum gehe. Viele waren sich einig, dass ein zweiter 25. April (Datum der Nelkenrevolution) her muss! Aus dem Frust über die inhaltlichen Schwächen der Partei hat sich das Coletivo Ruptura gegründet. In vorerst zwei Städten organisieren sich junge Kommunist:innen jenseits der Partei, um dringende Fragen der Kommunistischen Bewegung zu klären und proletarische Jugendliche im Klassenkampf zu organisieren.
Auf dem Festa do Avante selbst waren Themen wie soziale Gerechtigkeit, Frieden, sowie Solidarität unter Arbeitenden allgegenwärtig. In den Diskussionsrunden wurde die aktuelle kapitalistische Krise erörtert. Die Anstehenden Wahlen waren ebenfalls Thema. Im Süden Portugals, wo die kommunistische Bewegung traditionell besonders stark ist, verzeichnet die PCP ihre höchsten Wahlerfolge. Genau wie die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft `Confederação Geral de Trabalhadores Portugueses` ist hier besonders stark und ihre Positionen waren auf dem Festa do Avante deutlich sichtbar. Klassenbewusstsein und Arbeitskampf für eine gerechte Gesellschaft standen hier im Mittelpunkt.
Diskussionen zur Lage von Geflüchteten, Widerstandskämpfer:innen im Exil und dem palästinensischen Befreiungskampf zeigten die globale Perspektive des Festivals.
Am Sonntagabend fanden wir uns vor der großen Hauptbühne für das Comissio (Kundgebung) zusammen, bei der der Vorsitzende Paulo Raimundo und die Vorsitzende der Jugend JCP über die aktuelle Lage des portugiesischen Proletariats, zum Krieg in der Ukraine, zur Rolle der NATO und den kommenden Kämpfen gegen Armut und die Abwälzung der Krise auf die arbeitende Bevölkerung und die Jugend, sprachen. Auch die politische Auseinandersetzung mit der neu gegründeten rechtspopulistischen Partei Chega wurde thematisiert. Es wurde an den antifaschistischen Kampf der Nelkenrevolution erinnert und dazu aufgerufen, diese demokratischen Errungenschaften in Zeiten des Rechtsrucks nicht aufzugeben.
Der Aufwand war bemerkenswert und das Festival gehörte den Leuten, was wir auch bei der letzten Caravelhesa spürten. Não há festa como esta!