Am selben Tag, als die Aufhebung des §219a in Deutschland beschlossen und somit das Werbeverbot für Abtreibungen erlassen wurde, kam in den USA das Urteil, dass die Bundesstaaten künftig eigene Abtreibungsgesetze auf den Weg bringen können. Somit wurde die Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht des Obersten Gerichtshofes der USA „Roe vs. Wade“ aus dem Jahr 1973 rückgängig gemacht. Der Name stellt die anonymisierten Namen der klagenden Frau und des texanischen Bezirksanwalts dar. Nach knapp 50 Jahren wurde dieser gekippt.
Mehrere Bundesstaaten kündigten nach dem Urteil vom 24.06.2022 an, Schwangerschaftsabbrüche unter Strafandrohungen zu verbieten. Zu erwarten ist, dass rund die Hälfte aller Bundesstaaten betroffen sein werden. Wie zum Beispiel in Idaho, Tennessee oder Texas mit dem „Texas Heart Beat Act“. Die Abtreibungen sollen damit ab dem ersten Herzschlag verboten werden, dass meist schon nach der fünften Schwangerschaftswoche eintritt. In dem Stadium ist vielen Frauen noch nicht klar, dass sie überhaupt schwanger sind. Auch nicht nur abtreibende Frauen werden kriminalisiert, sondern auch alle Personen, die sie unterstützen. In vielen Gebiete im ländlichen Nordamerika, aber auch einigen Großstädten gibt es keine Möglichkeit für eine sichere Abtreibung. Die Frauen müssen bis zu mehreren 100 Kilometer auf sich nehmen, um eine Praxis zu finden, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Es wundert dabei nicht, dass die USA die höchste Müttersterblichkeit aller Industrieländer aufweisen.
Befürworter:innen des Abtreibungsverbots behaupten immer wieder, dass es ihnen um „den Schutz des Lebens“ (pro life) gehen würde. Aber nicht für das Leben der Frau, sondern eines ungeborenen Fötus. Die USA sind kein Einzelfall. Auch in Polen sind seit Anfang des Jahres Abtreibungen fast komplett verboten.
Das führte alles zu großen Protesten und Demonstrationen. Das Thema körperliche Selbstbestimmung ist für die internationale Frauenbewegung seit Jahrzehnten ein wichtiges Thema. In Lateinamerika ist der Widerstand gegen den Staat, der ihre Körper kontrollieren will, groß. Doch diese Prosteste ist dem Staat ein Dorn im Auge.Das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche und Verhütung muss ständig verteidigt werden. Nicht nur in Argentinien wurde das Recht auf sichere, legale und kostenfreie Abtreibung erkämpft, sondern auch in Uruguay, Kuba und Mexiko.
Uns Frauen in Deutschland stellt sich auch die Frage, was die Lage in den USA mit der propagierten „feministischen Außenpolitik“ zu tun hat. Wieso sind die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und Deutschland so gut, wenn eine Frau in den Staaten nicht über ihr Leben und ihren Körper entscheiden darf? Diese „feministische Außenpolitik“ ist nicht mehr als eine trostlose Versprechung. Wenn Frauen in den USA nicht frei sind, dann werden Frauen in Deutschland sich solidarisch zeigen und auf die Straßen gehen. Ersichtlicherweise wird der bürgerliche Staat uns die Befreiung der Frau nicht schenken. Die USA ist kein Staat der Freiheit und Demokratie, sondern ein Staat der Ausbeutung bis hin zum eigenen Körper.
Keine Frau sollte ihr Leben oder ihre Gesundheit riskieren müssen, nur weil sie dazu gezwungen wird eine ungewollte Schwangerschaft durchzuführen. Kein anderer hat darüber zu entscheiden, was mit ihrem Körper passiert!