Am vergangenen Samstag, den 24.07., waren wir mit einigen Genoss:innen in den von der Flut betroffenen Gebieten, um konkret vor Ort Hilfe zu leisten und um eine politische Einschätzung zu bekommen. Im Vordergrund stand das konkrete Anpacken bei den Aufräumarbeiten, die Gespräche mit der lokalen Bevölkerung und ein Gefühl für eine der härtesten Katastrophen hierzulande zu bekommen. Das Bild vor Ort war für uns hart und durchweg schockierend. Zerstörte Häuser, Brücken, Autos und Infrastruktur. Die Stadt in der wir waren, wurde mit über 2 Metern innerhalb von 7 Minuten schwer getroffen. Wir hatten die Möglichkeit mehreren Familien beim Ausschaufeln von Kellern und Garagen zu helfen sowie beim Entkernen der Wohnung zur Hand zu gehen. Als organisierte Gruppe von rund einem knappen Dutzend waren wir dabei eine sehr willkommene Hilfe und uns wurde durchweg Dankbarkeit und Offenheit entgegen gebracht. Die Solidarität vor Ort war beeindruckend, überall fuhren Helfer:innen herum, wurden Versorgungsstationen aufgebaut und gemeinsam gearbeitet. Allen von uns wird der Tag lange in Erinnerung bleiben.
Wir haben daraus einige Erkenntnisse und Gedanken gezogen, die wir zur Diskussion stellen wollen.
1. Die Flutkatastrophe der letzten Tage ist auf allen Ebenen politisch zu betrachten und die Linke muss dort stattfinden, um die Chance zu nutzen das höchste Ziel unserer politischen Arbeit – die Solidarität – auch zu praktizieren anstatt nur zu predigen. Es ist notwendig der Bevölkerung einen Einblick in die wichtige Arbeit der Linken geben zu können, die sonst für viele sehr abstrakt und theoretisch scheint.
2. Viele Linke haben sich sofort staatsaffirmativ auf die Informationen von Kreis, THW, Bullen und Feuerwehr gestützt. Statt sich ein Bild vor Ort zu machen, wurde sofort dazu aufgerufen nicht selbstständig in die betroffenen Regionen zu fahren – warum eigentlich? Als politische Bewegung ist es unsere Aufgabe eine eigene Analyse zu geben und in diesem Fall die Umstände und Situationen genauestens zu prüfen. Ein Tag dort mit der lokalen Bevölkerung hat gezeigt, dass das Vertrauen in die Einsatzkräfte eher gering ist, dass jede Hilfe gebraucht wird und dass es durchaus ein Bewusstsein zur politischen Bedeutung gibt.
3. Kein externer Akteur dort bewegt sich im luftleeren Raum. Von der Normalisierung des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren, über den 10 Minuten kurzen Pressetermin der bürgerlichen Parteien bis zu Rockerclubs die dort seit Tagen einen der wichtigsten Versorgungspunkte stellen und rund um die Uhr kostenlos Essen und Getränke an Helfer:innen verteilen. Wo ist die Linke? Wir haben alles was es braucht, um dort einen Unterschied zu machen – Infrastruktur, mobilisierbare Helfer:innen, Medien und Koordination.
4. Die Rechte hat (mal wieder) schneller verstanden, dass der Raum offen ist und genutzt werden kann. Kaum ein Tag an dem nicht über Aktionen von Nazis, Querdenken oder AfD berichtet wird. Unsere Präsenz dort und das aktive Herausdrängen wäre wahrer Antifaschismus. Zu viele Genoss:innen setzen ihre Energie in sinnfreie Solifotos und Aktivitäten, die sich schlussendlich nur um den eigenen Szenesumpf drehen. Es geht aber darum, zu leben wofür wir stehen, zu zeigen wofür wir kämpfen, voran gehen um eine Gesellschaft zu formen, die lebenswert ist.
5. Die Besserwisser-Position direkt nach dem Tag der Flut ist zum Kotzen. Natürlich hat diese Flut etwas mit dem Klimawandel zu tun. Aber es ist niemandem vor Ort geholfen, wenn das erste was die Betroffenen von uns zu hören bekommen, ein „wir haben es euch doch gesagt“ ist. Die unglaubliche Arroganz hinter solchen Aussagen wird auch weiterhin der Garant dafür sein, dass große Teile der Arbeiterklasse nur mit Unverständnis auf die Linke blicken. Oftmals war das höchste der Gefühle auf Spenden und die Hinweise vom Katastrophenschutz zu verweisen – statt sich zumindest einmal selbst vor Ort ein Bild zu machen oder die eigenen Strukturen zu nutzen um einen Unterschied zu machen.
6. Die radikale Linke in Deutschland stützt sich seit vielen Jahren fast ausschließlich auf einen harten Kern, der sich aus einem großen Eigenantrieb heraus innerhalb unterschiedlichster Strukturen engagiert. Wenn wir als revolutionäre Bewegung wirklich an Stärke und Masse gewinnen wollen, dann müssen wir für weitaus mehr Menschen ganz real im Alltag eine Bedeutung sein. Das viel bemühte Wort „Solidarität“ ist dafür ein zentraler Schlüssel. Wenn wir nur solidarisch mit uns selbst sind und es für sonst niemanden erfahrbar machen, wird der Begriff leer bleiben und unsere Bestrebungen umsonst.
7. Der bürgerliche Staat wird die Klimakrise niemals von der Wurzel her angehen und ist schlussendlich auch gar nicht mehr in der Lage dazu die entsprechenden Weichen zu stellen. Bei der appellhaften Politik oder der individuellen Konsumkritik zu bleiben zeugt von einem falschen Verständnis der politischen Verhältnisse im neoliberalen Kapitalismus. Das haben andere schon besser aufgeschrieben aber noch mal konkret: Das Problem heißt Kapitalismus und er wird nur von einer organisierten revolutionären Bewegung zerschlagen werden, die sich auf die Massen stützen kann.
Unser Appell:
- Organisiert euch und fahrt in die betroffenen Gebiete, schließt euch den Helferstrukturen an, macht euch ein Bild der Situation.
- Tretet als Linke auf und führt Gespräche auf Augenhöhe mit den Menschen vor Ort. Findet heraus, welche Bedürfnisse es gibt und wie wir diesen als solidarische Bewegung gerecht werden können.
- Vertraut nicht dem Staat in der Bewältigung der wichtigsten Aufgaben – das tun wir sonst nicht und sollten es auch dort nicht.
Großer Dank geht raus an die Genoss:innen von Rotes Mainz und dem Antifa AK Köln mit denen wir unterwegs sein durften!