Bericht: Hanau Bündnis Mainz

5 Jahre ist es her, dass bei einem rassistischen Anschlag in Hanau neun Menschen ermordet wurden. Ferhat, Mercedes, Gökhan, Hamza, Said, Kaloyan, Fatih, Vili und Sedat. Sie wurden nicht nur Opfer eines Täters, sondern auch eines Systems, dass sie im Stich ließ. Rassismus tötet, und der Rechtsruck gestaltet sich für immer mehr Menschen als eine reale Gefahr, vor der uns der Staat nicht schützen wird. Die Namen der Opfer von Hanau stehen für unermesslichen Schmerz, aber auch für den entschlossenen Kampf gegen Rassismus und Faschismus. 

Kurz nach dem Anschlag 2020 wurde in Mainz fröhlich Fastnacht gefeiert, fast so, als wären nicht wenige Tage vorher neun Menschen ermordet worden. Fast so, als hielten nicht Teile der Gesellschaft seitdem die Luft an, weil die rassistische Bedrohung greifbar war, wie lange nicht mehr. Weil das Gefühl von Sicherheit plötzlich nichtmehr war. Und auch seitdem gelang es der politischen Linken in Mainz nicht, diesem Schmerz einen angemessenen politischen Ausdruck zu verleihen. Mal lag das an der Stadt, die den Rosenmontag priorisierte, mal an schlechter Kommunikation oder zu wenig Kapazitäten. Für uns kein tragbarer Zustand! Hanau darf nicht vergessen werden. Deshalb sind wir, Rotes Mainz, SDS Mainz, und Antifaschistischer Aufbau Mainz dieses Jahr als Bündnis zusammengekommen, mit dem Ziel das zu verändern. Schnell war klar, dass es für eine eigene Demo dieses Jahr nicht reichen wird. Also entschieden wir uns dazu, unsere Arbeit auf die Mobilisierung für die Demo am 19. Februar in Frankfurt zu konzentrieren. Es sollte ein Mobivideo entstehen und eine gemeinsame Anreise organisiert werden. Wir werden weiter zusammenarbeiten, mit dem Ziel, dass Hanau auch in den kommenden Jahren in Mainz nicht vergessen wird.

Während unserer gemeinsamen Auseinandersetzung zu Hanau erfuhren wir, dass am 15. Februar 2025 der Mainzer Winter-CSD unter dem Motto „Wähl Liebe“ stattfinden sollte. Eine der vielen Demonstrationen im Zuge der Brandmauer-Protestwelle, die sich meist auf symbolische Abgrenzung zur AfD beschränkt. Terminlich fand diese parallel zur Gedenkveranstaltung in Hanau selbst statt. Für uns stand dabei außer Frage, dass sich das Gedenken an die Opfer und der entschlossene Kampf gegen den Rechtsruck nicht ausschließen. Im Gegenteil: Sie sind untrennbar miteinander verknüpft. Uns war es wichtig diese Botschaft mit den Menschen zu teilen, die eine solche Demo besuchen, und ihnen eine politische Perspektive zu geben, die im Kampf gegen rechts mehr zu bieten hat, als Parteien zu wählen, die vermeintlich für Liebe und Freiheit stehen sollen. Deswegen haben wir im Vorfeld zu einem eigenen Hanau-Gedenk-Block aufgerufen. 

Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass so etwas nicht im luftleeren Raum entsteht und bürgerliche Parteien ebenso ein Teil des Rechtsrucks sind. Ein Beispiel ist die CDU, die Anfang des Jahres mit der AfD und FDP einen rassistischen Migrationsbeschluss verabschiedet hat. Aber nicht nur AfD, FDP und CDU machen rigoros am Rechtsruck mit, sondern auch SPD und Grüne stehen ihnen mit rassistischer Politik in nichts nach.

Der spontane und sehr kurze Demo-Zug zum Kundgebungsort war mit rund 5000 Teilnehmenden durchaus gut besucht, jedoch nahm die Zahl der Teilnehmenden relativ schnell ab und gegen Ende waren auch aufgrund der eisigen Temperaturen, nur noch einige Hundert geblieben. In den Redebeiträgen der über 2 Stunden dauernden Kundgebung, wurde meist nur ein AfD-Verbot gefordert oder dazu aufgerufen bei der Bundestagswahl „Liebe“ oder „Freiheit“, statt der AfD, zu wählen. Kaum ein Wort zum generellen Rechtsruck, der nicht links von der AfD aufhört oder dem rassistischen Anschlag in Hanau über einen wohlwollenden Kommentar zum Hanau-Gedenk-Block hinaus. Klar ist: Erst dieser schuf einen Raum für dieses Thema auf der Veranstaltung. Im Gegenzug zu einigen Parteien hielt der Block bis zum Ende der Veranstaltung durch und trug aktiv dazu bei den Opfern dieses schrecklichen Anschlags zu Gedenken. Mit einem großen Transpi, vielen Fahnen und den Schildern mit Portraits der Opfer wurde der Block gut wahrgenommen, sowohl von anderen Teilnehmenden als auch von der Presse. Generell gab es sehr viel Zuspruch und positive Rückmeldung für den Block, auch von der Demo-Orga.

Nach dem Winter-CSD war vor dem 19. Februar. Der Tag an dem sich der rassistische Anschlag von Hanau zum 5. Mal jährte. Wie bereits beschlossen haben wir gemeinsam ein Mobivideo gedreht. Flyer, die an den Anschlag erinnern, und ihn in den Kontext eines stetig rassistischeren Diskurses, sowie unser Verhältnis zu Staat und Polizei setzen, wurden großzügig in den Hörsälen der Universität verteilt. Die Studierenden der JGU sollten dazu aufgerufen werden sich den Aktionen rund um das Hanau-Gedenken anzuschließen. Der Aufruf wurde zudem durch mehrere Banner unterstützt, die sowohl auf dem Campus als auch im Stadtbild zu finden waren. Damit sollte unmissverständlich klar gemacht werden, dass der Kampf gegen Rassismus und Faschismus auch in Mainz entschlossen geführt wird, und keines der Opfer vergessen wird, die Taten nicht vergeben. „Gedenken heißt Rechtsruck bekämpfen!“ Diese Aussage ist als Aufforderung zu verstehen. Während sich Hunderttausende sich von der AfD distanzieren, ist die Antifaschistische Bewegung nach wie vor schwach. Hanau ist nicht nur ein Ereignis in der Vergangenheit, sondern auch eine Mahnung für die Zukunft, denn wenn wir den Rechtsruck nicht aufhalten können, werden weitere Menschen dem Rassismus zum Opfer fallen. Ferhat, Mercedes, Gökhan, Hamza, Said, Kaloyan, Fatih, Vili und Sedat wurden bereits ermordet. In Gedenken an sie tauchten Portraits der Getöteten in Mainz auf. Ihre Gesichter, ihre Namen und der Widerstand bleiben. Um diesen auch auf die Straße zu tragen, bildeten genannte Aktionen die Bausteine eines Videos, das, mittels der Reichweite die Social Media ermöglicht, zur Demo in Frankfurt mobilisierte.

Der 19.02 ist ein Tag des Erinnerns und ein Tag des Kampfes gegen den Rassismus. Deswegen kamen wir in Frankfurt zusammen und haben uns die Straße genommen, um an die neun Menschen zu erinnern, die genau wegen diesem Rassismus ermordet wurden. Dabei ist es ein fataler Fehler immer wieder von „Einzelfall“ zu „Einzelfall“ zu denken. Vielmehr muss der Rassismus als Kontinuität in Deutschland, als Kontinuität im Kapitalismus verstanden werden. Wir leben in einem System der Gewinnenden und Verlierenden, der Konkurrenz, und der Ausbeutung. Menschen sind nur so viel Wert, wie sie auch nützlich sind. Eine grundlegende Logik, die erst die Grundlage dafür bietet Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Kultur, Aussehen, Sprache oder Religion auf- oder abzuwerten. Solange diese Logik aufrechterhalten bleibt, können wir nicht gleich sein, können wir nicht sicher sein, können wir nicht frei sein. Deswegen zogen wir mit vielen Menschen durch Frankfurt, von der Hauptwache, über das im schlechtesten Sinne bekannte erste Polizeirevier, bis hin zum Zoo. Auffällig dabei war eine vergleichsweise geringe Anzahl an Menschen, die ohnehin seit längerem an politischer Arbeit beteiligt ist, ganz im Gegensatz zu den bereits erwähnten „Brandmauer-Demos“ mit tausenden Menschen. Es entsteht der Eindruck, als sei „Antifaschismus“ besonders beliebt, wenn er unverbindlich ist. Naheliegend, wenn man glaubt „gegen rechts wählen“ sei genug, um den Faschismus aufzuhalten. Die Verhältnisse, die erst dazu führen, lassen sich aber nicht abwählen. Keine Regierung wird uns vor der Gefahr von rechts schützen , und ganz sicher auch nicht die Polizei. Der Anschlag in Hanau zeigt das deutlich. Seien es im Auftrag der Polizei verschlossene Notausgänge, unbesetzte Notrufe oder Polizisten des ersten Reviers, die Teil rechter Chatgruppe waren. Bis heute gibt es weder Aufklärung noch Konsequenzen. Das ist kein Zufall! Oftmals wird von einem Versagen der Polizei gesprochen, doch wer von Versagen spricht, nimmt an, es sei die Aufgabe der Polizei Menschen zu schützen. In diesem System schützt die Polizei allerdings keine Menschen, sondern das System selbst. 

Die Konsequenz daraus lautet ganz klar: Wir müssen uns selbst schützen, indem wir uns vernetzen, organisieren und gemeinsam gegen dieses System kämpfen! 

Mit vielen Genoss*innen aus Mainz haben wir in Frankfurt gezeigt, dass wir eben dazu bereit sind. Starke Redebeiträge zeigten unterschiedliche Aspekte des Kampfes, den wir alle führen und weiterhin führen müssen, um ein weiteres Hanau zu verhindern. Die Wut und den Schmerz kann man uns nichtmehr nehmen, aber wir müssen nicht in Ohnmacht verweilen. Es ist der Widerstand auf der Straße der uns zusammenbringt, und die Perspektive auf eine befreite Gesellschaft eröffnet. 

Die Aktionen, an denen wir uns als Mainzer Antifaschist*innen beteiligt haben, zeigen, dass der Kampf längst nicht verloren ist. Kein Opfer wird vergessen. Der gegenwärtige Rechtsruck ist zurecht besorgniserregend, aber kein Grund zur Resignation. Vielmehr ist es an der Zeit aktiv zu werden.

Wir müssen uns organisieren, um gemeinsam gegen dieses rassistische System zu kämpfen!