Nachdem die siebte Verhandlungsrunde für neue Tarifverträge zwischen ver.di und dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) vorerst gescheitert ist, haben mehrere Tausend Beschäftigte der Hafenbetriebe Hamburgs, Bremerhavens, Oldenburgs, Wilhelmshavens, Emdens und Brakes ab der Frühschicht am Donnerstag die Arbeit für 48 Stunden niedergelegt. Im Kampf für bessere Löhne organisiert ver.di den dritten Warnstreik innerhalb mehrerer Wochen.
Im Zuge der steigenden Inflation und dem dadurch für Lohnabhängige weniger werdenden Reallohns, streiken die Beschäftigten von u. a. Eurogate und Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) zum dritten Mal seit dem ersten Streik am 08.06.2022. Kernforderung der ver.di-Verhandlungsführerin ist eine Erhöhung der Entgelte um 1,20 Euro pro Stunde sowie einen tatsächlichen Inflationsausgleich in Höhe von 7,4 Prozent bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von zwölf Monaten für rund 12.000 Beschäftigte. Insbesondere der Inflationsausgleich ist in Zeiten von steigenden Preisen notwendig, nicht nur für die streikenden Hafenarbeiter, sondern für alle prekarisierten Berufe. Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) unterbot die Forderung ver.dis mit dem „finalen Angebot“ von 12,5 Prozent Entgelterhöhungen und für konventionelle Betriebe mit 9,6 Prozent bei einer doppelten Laufzeit von 24 Monaten. Ver.di lehnte dies ab:
„Insbesondere vor dem Hintergrund der unsicheren wirtschaftlichen Entwicklung haben wir eine Reallohnerhöhung für alle Beschäftigten auf zwölf Monate gefordert. Auch das jetzt vorliegende Angebot wird dem nur ansatzweise gerecht und ist in der Betrachtung aller Komponenten noch immer ungenügend. Es verteilt das Risiko der Preisentwicklung insbesondere im zweiten Jahr einseitig auf die Schultern der Beschäftigten.“
Während die Arbeitgeber in der derzeitigen Krise durch die Verweigerung eines würdevollen Lohns die Verschlechterung und Prekarisierung im Hinblick auf die Inflation und den Winter in Kauf nehmen, erfahren ver.di und die Beschäftigten immer mehr Repressionen.
Im Zuge der Kundgabe des dritten Warnstreiks, versuchten die Arbeitgeber:innen/Kapitalist:innen/… die in der derzeitigen Krise notwendigen Lohnforderungen durch Einstweilige Verfügungen zu unterbinden. Während alle Arbeitsgerichte diese abwiesen, lief der Konflikt in Hamburg auf einen Vergleich hinaus. Die Beschäftigten dürften zwar ihren Streik fortsetzen, müssen jedoch eine sog. „Friedenspflicht“ einhalten, die vorgibt, dass bis zum 26. August nicht mehr gestreikt werden darf. Als reiche der Versuch der Verarmung im Anblick der Inflation und die Auferlegung einer „Friedenspflicht“ nicht, knüppelte am Donnerstag noch die Polizei für das Kapital in den Demonstrationszug der Beschäftigten.
Zusätzlich wird medial aufs Schärfste gegen die streikenden Hafenarbeitenden geschossen. Vorwurf ist in der bürgerlichen Presse, dass die Hafenarbeitenden in der Krise ‚wirtschaftsfeindliche‘ Forderungen stellen. Die Vorsitzende des ZDS, Ulrike Riedel, findet die Warnstreiks „unverantwortlich“ und meint in der Tagesschau-Sendung vom 15.07.2022: „Das geht so nicht.“ Gegenüber KlasseGegenKlasse entgegnet Deniz Askar, Vertrauensleutesprecher bei der Eurogate Hamburg, solchen Vorwürfen:
„Viele von uns haben Familien, Frauen, Kinder und Rechnungen zu bezahlen. […] Wir sollten uns Gedanken [darüber] machen, ob nicht die Menschen in Deutschland zu wenig verdienen, und nicht, ob wir zu viel Geld verdienen.“
Während Riedel im Winter sicherlich in ihrem warmen Haus mit bezahlten Rechnungen sitzt, müssen die Beschäftigten der Hafenbetriebe für sie und ihre Kolleg:innen frieren. Dem setzt Fabian Goiny, Gewerkschafter und Betriebsrat in Bremerhaven, Branchen übergreifende Solidarität entgegen. Auf Nachfrage von KlasseGegenKlasse solidarisierte er sich mit den Streikenden der Uni-Kliniken in NRW:
„Es ist klar, dass wir die Waren bewegen, aber irgendwer muss uns gesund halten. Und wenn das unsere Kollegen im Gesundheitsbereich nicht machen, bringt es auch nichts, wenn wir nachher mehr Geld verdienen oder Waren bewegen. Es gibt dann irgendwann keinen mehr, der sie abnehmen kann.“
Es ist wichtig, jetzt im dringendsten Moment mit den Streikenden auf die Straße zu gehen und sie zu unterstützen. Noch bleibt Zeit bis zur achten Verhandlungsrunde, um Druck aufzubauen. Besonders im Hinblick auf die sich zuspitzende Lage für geringe Einkommen wird Solidarität für viele überlebenswichtig. In diesem Sinne: Mehr von euch ist besser für alle!