Am 22.05. erwartet uns im Internationalen Zentrum im Gallus der Besuch einiger Genoss:innen aus Kolumbien: einer Delegation der Red and Anarchist Skin Heads. Manchen, denen RASH kein Begriff ist, mögen vielleicht die Skinheads against Racial Prejudice (SHARP) bekannt sein, aus deren Strömung sich auch RASH gespeist hat und an deren Grundhaltung sie anknüpfen. Die Auffassung, dass gelebter Antirassismus nicht ausreicht, dass es mehr braucht, um gesellschaftliche Zustände zu verändern, wird von diesen linken Skinhead-Organisationen geteilt. Konsequent werden über die antirassistische politische Praxis, über Demonstrationen und Aktionen hinaus besonders kulturpolitische, „gegenkulturelle“ Tätigkeiten voran getragen und stellen einen wichtigen Fokuspunkt für RASH im Allgemeinen und für die lokale Gruppe aus der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá dar.
RASH Bogotá entstand um 1997 und ging aus loseren Vorgängergruppen hervor, in denen sich politisch bewusste, gegenkulturell engagierte Skinheads organisiert hatten. Neben dem politischen Aktivismus besteht die gegenkulturelle Arbeit der Gruppe aus dem Veranstalten von Konzerten, dem Anfertigen von Murales, also Wandgemälden/Graffiti, politisch-kulturellen Versammlungen, sowie Bildungs- und Informationsveranstaltungen.Die ausdrückliche Berufung zu gegenkultureller Praxis ist ein Faktor, der RASH von vielen linken Organisationen, etwa hier in der BRD, unterscheidet und abhebt.
Die Ausgangslage für politische und gegenkulturelle Arbeit in Bogotá sieht sehr verschieden von der hiesigen aus.Im bewaffneten Konflikt zwischen linken Guerillas, wie der FARC oder ELN, und den staatlich geduldeten und mitunter gezielt geförderten faschistoiden paramilitärischen Einheiten, der sich auch trotz vereinbahrter Waffenruhen und Friedensabkommen nach wie vor in Form von gezielten Entführungen und Ermordungen ehemaliger Guerilla-Kämpfer:innen oder Unterstützer:innen fortsetzt, macht Todesdrohungen und Anschläge auf das Leben der Mitglieder von RASH für ihre politische Tätigkeit zur bitteren Normalität. Und die Gefahr ermordet zu werden, oder zu verschwinden, geht nicht nur von Paramilitärs, sondern mitunter auch von den offiziellen staatlichen Sicherheitskräften aus. Die Härte der Gewalt, mit der politischem Protest und Aktivismus in Kolumbien begegnet wird, wurde zuletzt 2021 deutlich, als während regierungskritischer Demonstrationen, denen sich die Menschen zu zehntausenden anschlossen, etliche Demonstrierende und Unbeteiligte auf offener Straße durch den Einsatz scharfer Munition, den Beschuss mit Gaskartuschen oder durch Prügel und Tritte ihr Augenlicht, Gliedmaßen oder ihr Leben verloren. Sexualisierte Gewalt, Entführungen, Vergewaltigungen und Femizide durch Sicherheitskräfte und Paramilitärs gehörten ebenso zur traurigen Tagesordnung. Das Risiko, Ziel von Repression und staatlich geduldeter oder angeordneter Gewalt zu werden, ist kontinuierlich hoch und überschattet jegliches politisch-kulturelle Engagement.
Die Skinheads von RASH sehen sich derweil nicht als Subkultur innerhalb der vorherrschenden Kultur Kolumbiens; Subkulturen können als etwas verstanden werden, das sich in die mehrheitsfähige Kultur ein- oder unterordnet, eine Nische bedient aber keinen Veränderungsanspruch mit sich bringt.Im Gespräch mit dem re:volt-magazine äußerten sich die interviewten Genoss:innen 2017 folgendermaßen:
„Gegenkultur definieren wir entgegen dem Subkulturbegriff nach dem marxistischen Theoretiker Antonio Gramsci als gegen-hegemoniales Projekt, d.h. gegen eine dominante und durchgesetzte Mehrheitskultur gerichtet. Wir sind da im Vergleich relativ radikal. Die Gegenkultur steht bei uns nicht über der Politik, die Politik aber auch nicht über der Gegenkultur. Es handelt sich da schlicht um zwei Seiten unseres politischen Kampfs.“
Die Bedingungen sind schwer, das gesellschaftliche Klima fortwährend angespannt – Gewalteskalationen sind keine Seltenheit. Aber durch ihre gegenkulturelle Praxis zeigen die Genoss:innen von RASH Bogotá, dass es auch anders geht – dass Freiheit, Gleichheit und Solidarität eine Alternative zu staatlicher und paramilitärischer Willkür und Gewalt sind.Wir freuen uns auf einen fruchtbaren Austausch und ein Kennenlernen mit den kolumbianischen Genoss:innen!
Die Veranstaltung findet am 22.05.2022 um 18:30 im Internationalen Zentrum, Koblenzer Str. 17, 60327 im Gallusviertel statt. Im Anschluss wird es dort einen Barabend geben.