„Umweltschutz ohne Klassenkampf ist nur Gartenarbeit!“

Warum Umweltschutz nur gegen den kapitalistischen Staat gelingen kann.

Chico Mendes, der brasilianische Umweltaktivist, auf den das Zitat im Titel zurückgeht, wurde 1988, in der Tür seines Hauses stehend im Auftrag von Großgrundbesitzern durch bezahlte Killer erschossen. Solch ein Schicksal haben die mehrheitlich liberalen Aktivist:innen der deutschen Klima- und Umweltschutzbewegung nicht zu fürchten, spielt sich ihr Aktivismus doch vornehmlich zwischen ohnmächtigen Appellen an „die Politik“ und moralischer Empörung über das Konsumverhalten armer Menschen ab. Von Mendes trennt sie in erster Linie die zentrale Einsicht, die dieser in seinem zitierten Statement so prägnant auf den Punkt brachte und die ihn für das Kapital so gefährlich machte, dass es ihn ermorden ließ: Auch der Kampf gegen die Umweltkrise ist ein Klassenkampf, denn zum einen geht es um die Frage wie produziert werden soll und zum anderen liegt Umweltschutz im existenziellen Interesse der Arbeiter:innen. Wir und unsere Kinder – und zuallererst arme Menschen rund um den Äquator – werden unmittelbar durch die Verherrungen der Klimakrise bedroht (werden), während die Klasse der Kapitalist:innen über die Mittel verfügt den katastrophalsten Folgen auszuweichen. Darüber hinaus ist sie es, die von der Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlage profitiert, setzt sie doch die für die Umweltkatastrophe ursächlichen kapitalistischen Funktionsmechanismen (Wachstumszwang und Fokus auf Profitmaximierung auf Kosten von Mensch und Natur) durch. 

Der scheinbare Widerspruch zwischen der Arbeiter:innen- und der Umweltbewegung (Umweltschutzmaßnahmen gefährden Arbeitsplätze, z.B. beim Kohleausstieg) besteht nur innerhalb der Logik des kapitalistischen Systems und kann mittels einer revolutionären Perspektive im gemeinsamen Kampf zur Überwindung des Kapitalismus aufgelöst werden. Als überzeugtem Sozialisten war Chico Mendes das bewusst. Folglich trat er vehement für die Befreiung von Mensch und Natur aus dem kapitalistischen System ein und engagierte sich Zeit seines Lebens nicht nur für den Umweltschutz, sondern war auch Gründer von Landarbeitergewerkschaften. Es gelang ihm, Ökologie und Sozialismus untrennbar miteinander zu verbinden: Er kämpfte trotz schwerer Repression gemeinsam mit Indigenen und Arbeiter:innen (Kautschukzapfer:innen) erfolgreich gegen die scheinbar übermächtigen ökonomischen Interessen von Viehzüchtern und Holzindustrie und für den Erhalt von Amazonien.

Seit dem Mord an Mendes sind nun über 33 Jahre vergangen, in denen ausnahmslos alle internationalen Versuche die Klimafrage mit kapitalistischen Antworten zu lösen, genauso kläglich wie vorhersehbar gescheitert sind. Und schlimmer noch: Die Hälfte aller Emissionen aus Kohle, Öl, Gas und Zement zwischen 1750 und 2015 sind nach 1988 entstanden, also in etwa seit mit dem Klimakongress in Rio de Janeiro 1992 erstmals globale Klima- und Umweltpolitik auf internationaler Ebene forciert wurde. Die Menschheit befindet sich also weiterhin in einem stetig beschleunigenden Zug Richtung globale, irreversible Klimakatastrophe. Das ist kein Alarmismus, sondern der Kern des Berichts des Weltklimarats IPCC, der letzte Woche veröffentlicht wurde und von dem ein Entwurf bereits im August 2021 geleakt wurde. Eine Gruppe anonymer Wissenschaftler:innen zeichnete sich für den Leak verantwortlich, da sie befürchteten, der Bericht könne von den Staatsregierungen vor der Veröffentlichung mal wieder verwässert werden.

Mit diesem Misstrauen gegenüber den Regierungen treffen sie einen wichtigen Punkt, der es notwendig macht, sich die Rolle des Staates bewusst zu machen: Die oberste Maxime kapitalistischer Staaten ist es – neben der Gewährleistung der bürgerlichen Eigentumsordnung – möglichst gute Verwertungsbedingungen für das heimische Kapital herzustellen, um das nationale Wirtschaftswachstum gegenüber jenem der internationalen Konkurrenzländer zu erhöhen. Die kapitalistische Konkurrenzlogik besteht also auch zwischen den Staaten, weshalb alle Regierungen dieser unterworfen sind. In bürgerlichen Demokratien können linke Parteien zwar an die (Staats-)Macht gewählt werden, es ist ihnen aber nicht möglich auf lange Sicht linke Politik zu machen, denn die politische Macht ist ohne die ökonomische nahezu wertlos – und diese liegt in den Händen der Bourgeoisie, der Eigentümer:innen der Produktionsmittel, für die Umweltschutz (oder Arbeiter:innenrechte) zuvorderst ein störender Kostenfaktor ist, der ihre Profite schmälert und sie in der Weltmarktkonkurrenz benachteiligt. Die Rolle des Staates im Kapitalismus ist also der Grund, weshalb die immer ohnmächtiger vorgetragenen Appelle der liberalen Klimaaktivist:innen nicht zu den so dringend notwendigen, tiefgreifenden Maßnahmen führen. Da können sie sich an noch so viele Torpfosten binden oder Straßen kleben, das endlose Streben nach maximalem Profit, zugleich das Wesen des Kapitals als auch die Ursache der Klimakrise, bleibt von Seiten des Staats unangetastet, da er aufgrund seines Klassencharakters grundlegend vom Kapital abhängig ist. Folglich kann wirksamer Klimaschutz nur gegen den Staat, durch Machtausübung von unten, erkämpft werden.

Radikal sein bedeutet nämlich nicht, sich an Straßen festzukleben, sondern die Probleme an der Wurzel zu packen, sprich an die sie verursachenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu gehen. Die mit solchen Aktionen verbundene Strategie möglichst viel Aufmerksamkeit auf den eigenen an den Staat adressierten Appell zu lenken, blendet dessen aus seiner Abhängigkeit vom Kapital resultierenden Klassencharakter aus und läuft daher ins Leere. Das macht natürlich weder den Hinweis auf die apokalyptische Dringlichkeit der Klimafrage noch die Skandalisierung einer Politik, die das Überleben von Millionen Menschen und unzähliger Tier- und Pflanzenarten bedroht, falsch. Da diese eindimensionale Strategie von den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen wir leben, aber nichts wissen will, verkennt sie den einzigen politischen Machthebel, der das Potenzial besitzt, die Verhältnisse umzuwerfen, die für die Klimakrise verantwortlich sind: den revolutionären Klassenkampf mit dem politischen Streik als Mittel.

Wir, die arbeitende Bevölkerung, müssen die ökonomische Macht an uns reißen, um die Produktion nachhaltig, demokratisch und entlang der Bedürfnisse der Menschen zu organisieren. Tun wir das nicht, wird die kapitalistische Produktionsweise unverändert fortschreiten: Profite herauspressen, bedrohliche Wirtschaftskrisen verursachen, soziale Verelendung produzieren und nicht zuletzt die natürliche Lebensgrundlage von Mensch und Tier zerstören. Die Überwindung des Kapitalismus ist nicht „extremistisch“, sondern das vernünftige, gemäßigte Minimum, denn ein Umsteuern, das die Erderwärmung noch nennenswert abbremsen könnte, ist mit dem kapitalistischen Wachstumszwang schlichtweg nicht vereinbar!

Wir sagen: Schluss mit Gartenarbeit, moralisierender Konsumkritik und nutzlosen Appellen an den Staat! Raus aus dem Beet, rein in den Klassenkampf! Kapitalist:innen enteignen, Produktionsmittel demokratisieren! Ökosozialismus oder Barbarei!