8.März: Feministisch kämpfen, die Frau befreien, das Patriarchat überwinden!

1. Kapitalismus und Patriarchat – eine glückliche Ehe
2. Frauen kämpfen weltweit – für Selbstbestimmung, gegen Krieg und Patriarchat
3. Feminismus, neoliberale Entradikalisierung und die Vereinnahmung von Rechts
4. Wie und was tun?

Kaum eine Frage ist so präsent wie die feministische und besitzt so viel Potential. Sie ist hoch umkämpft, inner- wie außerhalb linker Diskurse, an ihr wird gezerrt, um eine Diskursverschiebung zugunsten von Profitmöglichkeiten zu ermöglichen ebenso wie für rassistische und koloniale Rechtfertigungen. Dabei steht der Versuch, den Feminismus seiner Radikalität und historisch bedingten revolutionären Charakters zu berauben, im Mittelpunkt. Diese vierteilige Textreihe soll in mehrerer Hinsicht einige Klarheiten schaffen. Als erstes steht die Verflechtung von Kapitalismus und Patriarchat, danach der Ansatz für eine internationalistische Perspektive, als drittes die Liberalisierung und der konterrevolutionäre Charakter und zuletzt der Versuch einer Anleitung und groben Weges, aber auch ein wie und was tun mit einigen konkreten Vorschlägen. Der Text soll einen anfänglichen Überblick bieten, der natürlich oft verkürzt und unvollständig ist, wobei sich Einzelnes vielleicht doppelt, da er nicht als zusammenhängender Text geschrieben wurden. An einigen Stellen setzt er jedoch grundlegendes Verständnis der kapitalistischen Produktionsweise und einiger Fachwörter voraus. Auf der anderen Seite bietet er eine gute grundlegende Basis zu Auseinandersetzung mit dem feministischen Kampf und der Entwicklung einer gemeinsamen Perspektive.

Kapitalismus und Patriarchat – eine glückliche Ehe

Sexistische Unterdrückung und Ausbeutung anhand von hergestellter Geschlechtlichkeit begann nicht erst mit dem Kapitalismus, bekam aber dadurch wesentliche Eigenschaften. Um diese aufzuheben, muss sie als erstes verstanden werden. Die historische Verflechtung von Patriarchat und Kapitalismus ist fundamental, ihr Verständnis muss am Anfang stehen. Sexismus gehört dabei zu den stärksten Waffen der Bourgeoisie in der Verhinderung der proletarischen Revolution, der feministische Kampf dagegen zu den elementarsten des Klassenkampfes.

Das Patriarchat bedeutet die gesellschaftliche und kulturelle Vorherrschaft der Männer,  Heteronormativität (d.h. die mit unterschiedlichen Eigenschaften ausgestatteten zwei Geschlechter „Frau“ und „Mann“) und sexistische Abwertung und Unterdrückung von allen, die nicht in das Raster hineinpassen. Dabei ist dieses keinesfalls natürlich bedingt, sondern von Menschenhand gemacht. Sexismus, Misogynie und Queerfeindlichkeit als Unterdrückungs- und Herrschaftsinstrumente erstrecken sich über die Geschichte hinweg, lange vor den kapitalistischen Produktionsverhältnissen. Mit der Fähigkeit zur Reproduktion, dem System der Ehe, der Bindung von Frauen an einen Mann, begann diese Entwicklung der systematischen Abwertung und die Herstellung von Geschlechtlichkeit innerhalb eines binären Geschlechtersystems. Der Kapitalismus hat in seiner Entstehung dieses Herrschaftsinstrument aufgegriffen und sich zu Nutze gemacht. 

Die kapitalistische Gesellschaftsform bedeutet, nicht menschliche Bedürfnisse stehen im Fokus, sondern Profite und die Vermehrung von Kapital bestimmen den Produktionsprozess. Dabei sind zwei Klassen entstanden, jene mit Besitz an Produktionsmitteln (Fabriken, Maschinen, Werkzeuge, Rohstoffe etc.) und mehrheitlich diejenigen, die allein vom Verkauf ihrer Arbeitskraft gegen Lohn leben. Das Patriarchat hat die Voraussetzungen geschaffen, dass Frauen zu Anfang keine Produktionsmittel besaßen, wenn überhaupt nur durch ihre Zugehörigkeit durch die Ehe zu einem Mann. Im kapitalistischen Produktionsprozess ist jetzt mit zwei Sphären der Arbeit ein Geschlechterwiderspruch entstanden. Männer gingen der produktiven Arbeit außer Haus nach, Frauen waren an die reproduktive Arbeit innerhalb des Hauses gebunden. Nur erstere jedoch wurde entlohnt. Die unbezahlte Hausarbeit stellt aber auch einen Teil der Profite der Kapitalist:innen, da diese die Arbeiter:innen nicht für die Aufgaben bezahlen, die für ihre eigene Reproduktion als Arbeitskraft notwendig sind (Kochen, Waschen, Einkaufen, Spülen, Putzen etc.). Laut patriarchaler Kultur ist die Hausarbeit natürliche Aufgabe der Frau, Reproduktionsarbeit wird durch die Nicht-Entlohnung unsichtbar gemacht und abgewertet. Heute sind die meisten Frauen berufstätig, übernehmen aber weiterhin den Großteil an Reproduktionsarbeit. Es findet eine doppelte Ausbeutung von Frauen und weiblich gelesenen Menschen statt. Bei der Einbindung von Frauen in die Lohnarbeit in den 1970er Jahren wurde, um die Profite nicht zu schmälern, der Familienlohn, den vorher allein der Mann gezahlt bekommen hat, auf Männer und Frauen aufgeteilt. Diese Aufteilung fand jedoch nicht paritätisch statt, Frauen bekamen damals wie heute auch heute noch sehr viel weniger Lohn. Dieser sexistisch motivierte niedrige Lohn von Frauen dient dabei auch dem Drücken des gesamten Lohnniveaus.  Trotz zunehmender Lohnarbeit bilden Frauen die Reservearmee des Kapitals, sie sind zu größeren Teilen arbeitslos, prekär beschäftigt, in Teilzeit und für Krisenzeiten abrufbar. 

Im Neoliberalismus findet zusätzlich eine zunehmende Verschiebung der Reproduktionsarbeit raus aus der Familie und hinein in die Marktwirtschaft statt. Sogenannte Care-Arbeit findet trotzdem anhand vergeschlechtlicher Arbeitsteilung und mit einhergehender Abwertung statt. Frauen übernehmen dieses Tätigkeiten überproportional oft, dementsprechend sind die Löhne miserabel. Da die Inanspruchnahme aber auch an finanzielle Mittel geknüpft ist, wird die doppelte Ausbeutung von proletarischen Frauen zementiert. Immer stärker organisiert sich die Auslagerung von Care-Arbeit auch durch rassistische Strukturen. Migrant:innen übernehmen vielfach einen Anteil reproduktiver Tätigkeiten.

Patriarchale Verhältnisse stellen aber nicht nur Arbeits- und Klassen-, sondern auch ganz konkrete Herrschaftsverhältnisse dar. Im Kapitalismus wurden wissenschaftliche und medizinische Bedingungen geschaffen, um über die eigenen Körper frei zu entscheiden. Obwohl zahlreiche Methoden zur Empfängnisverhütung, die Antibabypille und Möglichkeiten zur relativ sicheren und hygienischen Abtreibung entwickelt wurden, verhindern Staat und Kirche dieses Recht. Die Reproduktion des menschlichen Lebens und der damit einhergehende Nachschub an Arbeiter:innen soll sichergestellt sein. Vergeschlechtliche Arbeitsteilung stellt aber nicht den alleinigen Nutzen für das Kapital. Auch andere sexistische Strukturen wie Schönheitsideale, Prostitution und Reproduktionstechnologie sorgen für die Profite der Wenigen. Mit der Wahrnehmung der von der Natur entfremdeten Körper als Arbeitskraft werden diese zu einer weiteren Ware, über die in der Welt der Waren verfügt werden kann. 

Frauen kämpfen weltweit – für Selbstbestimmung, gegen Krieg und Patriarchat

Auf der ganzen Welt kämpfen Frauen für ihre Rechte, gegen Krieg, Krise, Armut und vor allem die Vorherrschaft der Männer. Das Patriarchat wird durch die Herabsetzung des gesellschaftlichen Status der Frau und damit ihrer Herabsetzung in den Produktionsverhältnissen zu einer Kraft, die den Kapitalismus stärkt. Verbunden mit den imperialistischen Bestrebungen der Mächtigen wird es vor allem auch in andere Länder importiert. Überall dort, wo sich die ökonomische Situation verschlechtert und die andauernde Krise des Kapitalismus sich verstärkt, sind die Folgen für Frauen und Mädchen besonders hart. Denn Konflikte und Situationen erhöhter Instabilität verschärfen die bereits bestehenden Muster patriarchaler Unterdrückung. Dabei geht es überall um grundlegende Rechte wie die körperliche Selbstbestimmung, medizinischer Versorgung, der Zugang zu Bildung, Bewegungsfreiheit, gegen die Verdrängung aus dem öffentlichen Leben in den privaten Haushalt, gegen die Intensivierung der unbezahlten Reproduktionsarbeit und die unerträglichen prekären Arbeitsbedingungen. Während Frauen und Mädchen täglich ermordet, vergewaltigt und körperlich misshandelt werden, sollen sie all das am besten einfach ertragen und sich damit abfinden.

In unterschiedlichen Ländern nehmen die Kämpfe unterschiedliche Ausprägungen an, doch sie richten sich überall gegen die gewaltvollen Zustände, die ihnen die Luft zum Atmen nehmen. Große Aufmerksamkeit gab es international für die Situation in Afghanistan, als die Taliban letztes Jahr Afghanistan eroberten. Weit weniger bekannt ist und war, dass die Proteste gegen das neue Regime zum größten Teil von Frauen geführt werden, die für ihre Rechte auf die Straße gehen. Doch außerhalb des winzigen Rahmens westlicher Medien werden unzählige Proteste von Frauen geführt und angeführt. Im Sudan zwangen die Massenproteste mit Frauen an der Spitze den vom Westen unterstützten Diktator Omar Al-Bashir in die Knie, während sie gleichzeitig gegen die großflächige Zwangsverheiratung von Minderjährigen, Genitalverstümmelung und koloniale Ausbeutung zu kämpfen haben. Frauen im Jemen erkämpften sich, inspiriert vom „arabischen Frühling“ in Tunesien und Ägypten, politische Partizipation und andere grundlegende Rechte, legten das Heiratsalter auf 18 Jahre fest. Erst der Krieg vernichtete diese Fortschritte. Heute herrscht die größte Geschlechterungleichheit weltweit, Kinderehen nehmen stark zu, die patriarchale häusliche Gewalt ist um zwei Drittel angestiegen und die Müttersterblichkeit 23-mal höher als in Deutschland. Die ersten Opfer der jemenitischen Pandemieverwaltung waren die kleinen, von Frauen geführten Betriebe sowie die Arbeitsplätze der wenigen lohnarbeitenden Frauen. Beispiellos ist auch der Kampf der kurdischen Frauen gegen den Islamischen Staat, für Befreiung und Selbstorganisation, sie tragen zu großen Teilen die kurdische Revolution.

In Argentinien gingen 2016 unter dem Label „Ni una meños“ tagelang tausende Frauen gegen Feminizide und Vergewaltigungen, aber auch mit Forderungen wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit, sichere Arbeit und Aufteilung der Care-Arbeit auf die Straße. Diese Welle verbreitete sich in anderen Ländern Lateinamerikas wie ein Lauffeuer. In Chile, Honduras, der Dominikanischen Republik und Mexiko stellen ebenfalls ununterbrochen Frauen gegen die Kriminalisierung von Abtreibungen und patriarchale Unterdrückung Proteste zu tausenden. Ein großer Erfolg war zuletzt die Wegbereitung für die vollkommene Entkriminalisierung von Abtreibungen. Für ihr Recht auf und gegen das fast komplette Verbot dieser kämpften 2020 auch zehntausende Frauen in Polen, doch die rechtskonservative und in Teilen christlich-fundamentalistische Regierung setzte ihr Gesetz durch, das jetzt schon zahlreiche Todesopfer forderte.

All diese Kämpfe verbindet, dass Frauen aus ihrer Erfahrung einer doppelten Ausbeutung und patriarchaler Diskriminierung heraus ihre Befreiung selbst in die Hand nehmen. Dabei inspirieren sie sich selbst und andere, ermutigen ebenfalls zum Kampf und geben Hoffnung auf ein besseres Leben. Weil die Ursachen ihres Leidens im patriarchalen Kapitalismus zu finden sind, richten sich die emanzipatorischen Kämpfe schlussendlich automatisch dagegen. All das zeigt, dass es möglich und notwendig ist, eine gemeinsame internationalistische Perspektive herzustellen und diese im Kampf zu leben.

Feminismus, neoliberale Entradikalisierung und die Vereinnahmung von Rechts

Der Feminismus ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch schnell klar, dass viel eher von Feminismen gesprochen werden muss. Das Beweisen des Feminismus als massentauglich ruft in Konsequenz schnell die konservative und reaktionäre Kräfte auf den Plan. Es muss jedoch zwischen der Vereinnahmung durch das heutige neoliberale Regime des Kapitalismus und der durch die neue und extreme Rechte in einigen Punkten unterschieden werden. Worin die Unterschiede liegen, zeigt sich vor allem auch in der Praxis. 

Die neoliberale Aufweichung des Feminismus und von Frauenrechten entspringt dem Wesen des Kapitals. Alles wird zwangsläufig kapitalisiert und verwertbar gemacht, um eine Kapitalanhäufung zu gewährleisten. Alles wird zur Ware, auch der Feminismus in Teilen selbst. Dabei liegt bei einem liberalen Feminismus der Fokus auf der Aufwertung von Diversität und Differenzen, was vor allem die Vermarktung des eigenen Selbst auf dieser Grundlage zur Folge hat. Genannt sei hier das Phänomen der „Influencer:innen“ oder auch die jährlichen „Prides“. Radikale Ansätze und Bewegungen, die Geschlechterunterschiede, Geschlechtlichkeit und die sexistische Unterdrückung angreifen, werden sinnentleert und oberflächlich als Kosmetik aufgegriffen. So investieren Unternehmen wie Lufthansa oder Rituals große Beträge, um sich einen vermeintlich feministischen Anstrich zu verpassen und ihren ausbeuterischen Charakter zu verschleiern. Ein wirklicher Fortschritt wird ausgeschlossen, die Pluralität als Weg ist schon das Ziel und die doppelte Ausbeutung der Frau durch Lohn- und Reproduktionsarbeit spielt keine Rolle mehr. Ebenso die Frage, wie Geschlecht über vergeschlechtliche Arbeitsteilung erst hergestellt wird. Gleichzeitig wird der Liberalfeminismus auch für militaristische und imperialistische Zwecke genutzt. Wenn zum Beispiel die schwedische Armee mit als Prideflaggen geschminkten Gesichtern wirbt oder Frauen- und LGBTIQ*-Beauftragte für Soldat:innen eingerichtet werden oder um neue Absatzmärkte zu erschließen, wird der Kampf um Rechte für Frauen und Queers als Legitmation angeführt. 

Das neoliberale Regime trägt also zum großen Teil die Verantwortung für die Herstellung des (liberalen) Feminismus als Massenthema. Genau hier wird die Tür zur Vereinahmung von Rechts schon aufgestoßen. Gekämpft wird hauptsächlich aus Perspektive weißer, westeuropäischer und finanziell abgesicherte Frauen ohne Migrationshintergrund, die Perspektive von Migrant:innen und Schwarzen fehlt fast gänzlich. Entlang dieser rassistischen Betrachtung wird der vermeintlich feministische Kampf durch reaktionäre Kräfte für die Verfestigung völkischer Ideale geführt. Im Vordergrund steht der Schutz der „deutschen Frau und Mutter“,  dabei hilft das Narrativ des „gewalttätigen Geflüchteten aus muslimischen Ländern“. Die „Alternative für Deutschland“ und „Identitäre Bewegung“ sind mit solchen Versuchen besonders aufgefallen. Als Beispiel kann hier die Kampagne „#120 Dezibel“ von 2018 gelten. Hier sollte die Sammlung von Gewaltverbrechen durch migrantische Menschen und Geflüchteten an weißen Frauen in den sozialen Medien als Untermauerung dieses Narrativs dienen. Die Vereinnahmung und Verzerrung fortschrittlicher Ideen mit Hilfe einer Diskursverschiebung durch Rechts stellt und stellte schon immer ein wichtiges Mittel zur Beeinflussung der gesellschaftlichen Stimmung dar. 

Um zu verhindern, dass Feminismus zu einem Papiertiger wird, muss die Verflechtung von Kapitalismus und Patriarchat genau erfasst sein, ebenso wie die verschiedener Unterdrückungsmechanismen wie Rassismus und Sexismus. Eine wirklich emanzipatorische Bewegung darf keinen Ausschlussmoment für unterdrückte Menschen beinhalten, genau wie sie verschiedene Diskriminierungsformen nicht gegeneinander aufwiegen und ausspielen darf.

Wie und was tun?

Der Kampf gegen Kapitalismus und Patriarchat erscheint wie der Kampf gegen eine vielköpfige Hydra. Ein Kopf wird abgeschlagen und zwei weitere wachsen nach. Dieser Kampf kann weder alleine geführt, noch darf er aufgegeben werden. In ihm liegt der Schlüssel zu einer gerechten und freien Welt, in der Frauen und Queers ein Leben ohne Unterdrückung führen und einfach Mensch sein können. Ziel ist die Emanzipation der Frau vom Mann, der Menschen von vergeschlechtlichter Arbeitsteilung und der Arbeit vom Lohn.

Was genau heißt jetzt aber Feminismus, wie muss dieser aussehen und was muss er leisten? Mit dem in den ersten drei Teilen erlangten Wissen sind bereits einige Eckpunkte ersichtlich, die abgeleitet werden können. Um zu verstehen, wie allumfassend die kapitalistische Produktionsweise unsere Gesellschaft und die Welt ordnet, muss die Analyse eine materialistische sein. Dazu gehört auch, wie sehr Kapitalismus und Patriarchat miteinander verflochten sind. Die Ursachen gesellschaftlicher Veränderung und politischer Umwälzung sind in letzter Instanz nämlich nicht in den Köpfen, sondern den ökonomischen Bedingungen der Produktion und des Warenaustauschs zu finden. Dieses Verständnis steht gegen den reinen Idealismus und die Philosophie. Wie wir leben und arbeiten, unser gesellschaftliches Sein, bestimmt unser Bewusstsein, also wie wir denken. Keinesfalls darf dieses Verhältnis auf die Frage nach dem Küken und dem Ei verzerrt werden. In dieser Verzerrung liegt auch schon die Grundlage des substanzlosen und liberalen Feminismus, einer ohne jeden Zweifel konterrevolutionären Aktion. Ein Feminismus, der sich allein auf Sprache und Identität fokussiert und so hofft, die Welt zu verändern, kann verschiedene herrschaftsförmige Strukturen nicht richtig erfassen oder verliert sie zum größten Teil komplett aus dem Blick. Er wird selbstreferentiell. Die feministische Befreiung ist ein rebellischer und revolutionärer Akt, der mit allem bestehenden brechen muss, sie lebt vom kollektiven Gedanken. Den Feminismus von anderen sozialen Forderungen abzukoppeln, das Reduzieren auf Individualismus, die Hervorhebung von Diversität und Differenzen, ohne ein weiteres Ziel, darin liegt der konterrevolutionäre Charakter. 

Woher diese Tendenz kommt, ist offensichtlich. Sie kommt von oben, von den Herrschenden, sie kommt aus den elitären und bourgeoisen Diskursen. Es ist das Ergebnis einer postmodernen Philosophie, die Fortschrittsziel und  Umbruch klar ablehnt, in der Universalismus und somit eine universalistische Wahrheit abgelehnt wird, das Doktrin zur Pluralität einen Weg zeichnet, der zu keinem Ende kommt und der Verlust von Solidarität und eines Gemeinschaftsgefühls. Der Feminismus muss also auch für die Überwindung all dessen stehen.

Um das historisch gewachsene und kulturelle Patriarchat aufzubrechen, das von Sexismus, Misogynie und Queerfeindlichkeit lebt, muss der materialistische Feminismus außerdem queer sein. Er darf nicht allein die Unterdrückung von Frauen, sondern muss auch andere marginalisierte Gruppen mitdenken. Verschiedene Unterdrückungsformen haben jedoch verschiedene Wirkungen, dabei dürfen sie nicht in einen Topf geworfen und nicht gegeneinander aufgewogen und ausgespielt werden. Ebenso verhält es sich mit feministischen Kämpfen in unterschiedlichen Ländern. Die akuten Frauenkämpfe sind auch Ergebnis jahrhundertelanger kolonialer Bestrebungen des Westens, also muss Feminismus auch immer eine internationalistische Perspektive aufzeigen. So vielfältig und vielköpfig das kapitalistische Patriarchat ist, so vielfältig und vielköpfig muss eben auch die feministische Bewegungen aufgebaut sein. 

Das wie und das Ziel ist klar, doch der Weg und was genau tun noch nicht. Der Anfang sollte sein, gemeinsam eine feministische Plattform aufzubauen, die Inhalte und Protestformen diskutiert. Beim Aufbauen sollten Widersprüche als Stärke gesehen werden, nicht als Hindernis. Dies erfordert zwar viel Geduld und Kompromissbereitschaft, doch das gemeinsame Anliegen wiegt schwerer. Das erste Ziel hierbei sollte eine gemeinsame Organisation sein, in der eng verbunden alle Aspekte einer revolutionären Perspektive vereint sind. Als ein Teil muss aus dieser heraus Bildungs- und Agitationsarbeit geleistet werden, als ein weiterer in konkrete Kämpfe hineingewirkt und diese auf Augenhöhe unterstützt werden, damit eine feministische  Massenbewegung entsteht. Konkret müssen dies Kämpfe für körperliche Selbstbestimmung und Abtreibungslegalisierung sein, Frauenstreiks für gleichen Lohn für gleiche Arbeit und Streiks von Care-Arbeiter:innen. Es muss mit Prostituierten und Sexarbeiter:innen für ihre Rechte, aber gegen das System sexueller Ausbeutung gekämpft werden. Feminizide und sexualisierte Gewalt müssen benannt und sichtbar gemacht werden, während im gleichen Atemzug Schutzräume und Frauenhäuser Sicherheit und Rückzug ermöglichen müssen. Mittels Streik, Betriebskampf und Demonstration dürfen neoliberale Verschärfungen von Arbeitsbedingungen keine ruhige Minute mehr haben. Finanzielle Unsicherheiten, schlechte Entlohnung, Flexibilität und Prekarisierung werden zum größten Teil auf dem Rücken von Frauen aufgebaut. Die doppelte Ausbeutung wird angegriffen, indem Alternativen zur kollektiven Organisation von Haus- und Care-Arbeit aufgebaut werden. Innerhalb dieses facettenreichen Kampfes muss das Aufbrechen von etablierten Geschlechter- und Rollenbildern immer Bestandteil der Praxis sein. 

Feminismus muss also Strukturen verstehen, benennen und eine Perspektive bieten. Er muss Frauen und Queers sichtbar machen, wie er Männer in die Verantwortung nehmen muss. Er muss sexistische und sexuelle Gewalt offenlegen, von verbaler Übergriffigkeit bis Vergewaltigung und Feminiziden. Dabei darf und muss sich der Wut auf diese Gewalt bedient werden, aber auch konkrete gemeinsame Organisierung mit anderen Teilen der emanzipatorischen Bewegung entstehen. In der Verbindung mit der sozialen Frage und einer Klassenperspektive liegt der Moment, um eine revolutionäre Gegenmacht aufzubauen, die im Widerspruch zum Hier und Jetzt steht. Auf diesem Weg ermutigen und inspirieren sich Frauen gegenseitig, sind ein Vorbild für andere und bilden die Speerspitze der kommunistischen Bewegung. Mit dem Sozialismus als Ziel, der sich an den Bedürfnissen der Menschen und vor allem Frauen orientiert, in dem vergeschlechtlichte Arbeitsteilung abgeschafft ist und somit Geschlechtlichkeit durch die Produktionsweise erst gar nicht mehr hergestellt wird, soziale Reproduktionsarbeit vergesellschaftet ist und der Körper von insbesondere Frauen dem Markt entzogen wird, liegen die besten Voraussetzungen, um das Patriarchat zu überwinden.